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Carl Schmitt und seine Briefpartner

Carl Schmitts Briefwechsel mit Gretha Jünger und Ernst Forsthoff

© Die Berliner Literaturkritik, 01.02.08

 

Als vor 14 Jahren der Nachlass Carl Schmitts (1888-1985) als Verzeichnis des Bestandes im Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv (bearbeitet von Dirk van Laak und Ingeborg Villinger) in Buchform erschien, konnte jeder Interessierte sich unmittelbar einen Überblick über die Korrespondenz, die Materialien und die Bibliothek Carl Schmitts verschaffen. So sind unter der Rubrik „Briefe an Carl Schmitt“ 153 Briefe, 65 Postkarten und zwei Telegramme von Ernst Jünger verzeichnet. Die Korrespondenz zwischen Jünger und Schmitt wurde 1999 im Verlag Klett-Cotta veröffentlicht. Der Heidelberger Germanist Helmuth Kiesel hatte damit eine durchaus gewinnbringende Edition vorgelegt.

Im Bestandsverzeichnis von Carl Schmitt sind außerdem 61 Briefe, 15 Postkarten von Ernst Jüngers erster Gattin Gretha Jünger sowie acht Briefe und vier Postkarten der Eheleute Jünger verzeichnet. Der Briefwechsel Gretha Jüngers mit Carl Schmitt wurde im Juli 2007 in einer soliden Edition von Ingeborg Villinger und Alexander Jaser veröffentlicht. In seinem Nachwort errechnet Jaser, dass hier gesamt 164 Schreiben ediert worden seien: „Im Kern sind es neunzig von Gretha Jünger an Carl Schmitt (14 davon gemeinsam mit ihrem Ehemann Ernst Jünger) und 66 Schreiben des Staatsrechtlers an Gretha Jünger.“

Hier ergeben sich bereits erste Differenzen: Offenkundig sind zwei Briefe oder Postkarten der Eheleute Jünger hinzugekommen. Es ist zu bedauern, dass die Editoren auf diese kleine Differenz nicht eingehen. In der Rubrik „Briefe von Carl Schmitt“ finden sich im Bestandsverzeichnis 16 Briefe und eine Postkarte von Ernst Jünger, die in der Kiesel-Edition bereits abgedruckt plus zwei Briefe von Gretha Jünger, die nun erstmalig ediert wurden. Der Nachlass Ernst Jüngers liegt im Deutschen Literaturarchiv Marbach; dort ist ebenfalls die Korrespondenz von Gretha Jünger zu finden.

Im Anhang zu der Edition des Briefwechsels zwischen Gretha Jünger und Carl Schmitt (1934-1953) sind zu einem besseren Verständnis dankenswerter Weise ein Brief von Michael Müller an Carl Schmitt (zu den „Marmorklippen“) und der oft erwähnte und bislang nicht veröffentlichte „Skandal“-Brief Gretha Jüngers an Armin Mohler (über das Ende der Korrespondenz mit Carl Schmitt) abgedruckt. Auch finden sich hier sechs Briefe aus dem familiären Umfeld. Leider ist die Korrespondenz zwischen Carl Schmitt und Jüngers zweitem Sohn Carl Alexander, dessen Patenonkel Schmitt war, kaum berücksichtigt. Das Bestandsverzeichnis meldet 15 Briefe, sechs Postkarten und ein Telegramm an Carl Schmitt.

Auch die beiden Briefe von Jüngers zweiter Ehefrau Lieselotte an Schmitt (von 1978 und 1982) sind nicht repliziert. Das ist ein zu bedauerndes Versehen. Denn entweder man entscheidet sich für die Konzentration auf die Wiedergabe des Briefwechsels Gretha Jünger und Carl Schmitt oder aber man erweitert diese Edition (etwa als Abdruck im Anhang) um weitere Briefe aus dem Umfeld.

Der 18 Seiten umfassende Einleitungstext von Ingeborg Villinger ist dem Leser dringend anzuempfehlen. In klarer Diktion und mit einfühlendem Wissen stellt die Herausgeberin die Bedeutung dieses Briefwechsels kompetent dar. Nicht nur Jünger-Experten kommen hier auf ihre Kosten; auch Historiker, Literatur- und Kunstwissenschaftler werden hier so manchen Hinweis finden. Sehr schön reproduziert sind die Abbildungen, insbesondere die vier Fotografien der Familie Schmitt und die sieben Fotografien der Familie Jünger. Das bekannteste und immer noch stark beeindruckende Bild zeigt Ernst Jünger und Carl Schmitt auf dem See von Rambouillet 1941.

Zwei große Hoffnungen verbinden sich mit der Veröffentlichung dieses Briefwechsels. Zum einen, dass weitere Schriften, Korrespondenzen und Materialien Carl Schmitts veröffentlicht werden. Zum anderen, dass endlich eine Schmitt-Gesamtausgabe begonnen wird, denn Schmitt war nicht nur Staatsrechtler, sondern auch ein großer Stilist.

Eine weitere Veröffentlichung – ebenfalls aus dem Akademie Verlag – ist die Edition des Briefwechsels von Ernst Forsthoff und Carl Schmitt. Diese Edition präsentiert die Korrespondenz dieser beiden bedeutenden Juristen. Sie umfasst 359 Briefe, Briefentwürfe, Postkarten und Telegramme aus den Jahren 1926 bis 1974: 218 Dokumente stammen von Forsthoff, 141 von Schmitt. Auch die Briefe von Forsthoffs Sekretärin (seit 1955) sind in diese Sammlung aufgenommen.

Forsthoffs Originale liegen im Schmitt-Nachlass in Düsseldorf. Die Originale Schmitts befinden sich im Forsthoff-Nachlass, der bei der Familie liegt und vom Schwiegersohn Jürgen Tröger verwaltet wird. Er hat an dieser Edition mitgewirkt. Die Edition ist seiner Frau, der Forsthoff-Tochter Susanne Tröger, die 2002 verstarb, gewidmet. Gedruckt wurde diese Korrespondenz mit finanzieller Unterstützung von Forsthoff-Freunden. Dieses schriftliche Gespräch, das knapp fünfzig Jahre währt, ist nicht ganz vollständig. Denn einige Dokumente (Briefantworten) fehlen.

In ihrer Einleitung geben die drei Herausgeber im Wesentlichen die Biographie von Ernst Forsthoff wieder. Auch deshalb, weil es zu ihm kaum einschlägige Studien gibt. Allerdings ist so manche Formulierung missverständlich, etwa wenn gesagt wird, Carl Schmitt habe an seinem Glossarium „gefeilt“, um sich „Klarheit“ zu verschaffen. Diese beiden Tatsachen hätten die Herausgeber schließlich zu dieser Edition „ermuntert“. Es ist ihrer Feststellung zuzustimmen, dass beide (Forsthoff und Schmitt) lange diffamiert wurden – durch „undifferenzierte und unwissenschaftliche Kritik“.

Ernst Forsthoff wurde nach seiner Habilitation 1930 an die Universität Freiburg und später nach Frankfurt am Main (1933 als Vertretung Hermann Hellers), später nach Hamburg (1935 als Nachfolger Kurt Perels) berufen. Für die Frankfurter Stelle hatte übrigens Schmitt von Berlin aus für Forsthoff interveniert. Gemeinsam mit den Privatdozenten Heinrich Henkel und Arnold Gehlen glaubte Ernst Forsthoff, die Frankfurter Universität nach den neuen „politischen Anforderungen“ ausrichten zu müssen, wie es in der Einleitung von Reinhard und Dorothee Mußgnug heißt.

In Hamburg verstrickte sich Forsthoff erstmals in Konflikte mit dem Regime. Darum wechselte er 1936 an die Universität Königsberg und nahm sechs Jahre später den Ruf nach Wien an, wo er auf Adolf Merkl folgte. Forsthoff war allerdings überrascht, dass er aufgrund des Einspruchs des dortigen Reichsstatthalters nicht lehren durfte. Im Jahr darauf folgte er dem Ruf nach Heidelberg, wo er die Nachfolge Herbert Krügers antrat. Hier hatte er bis zum Kriegsende einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Forsthoff auf Anordnung der US-amerikanischen Militärregierung 1946 aus dem Dienst entlassen – im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens Kategorie II. Erst 1953 konnte er nach widrigen Umständen auf seinen Heidelberger Lehrstuhl zurückkehren. Dort blieb er bis zu seiner frühzeitigen Emeritierung.

Was war geschehen? 1933 erschien Forsthoffs Buch „Der totale Staat“, in dem er ähnlich wie Carl Schmitt und Theodor Maunz das Führerprinzip verteidigte. Forsthoff zählte zu den maßgeblichen Juristen, die durch ihre Arbeiten dem nationalsozialistischen Regime juristische Legitimation verschafften. Forsthoff behauptete später, er sei dem „Zauber Hitlers erlegen“ und schließlich zu dessen „entschiedenem Gegner“ geworden.

In „Der totale Staat“ heißt es allerdings auch: „Der Jude wurde ohne Rücksicht auf guten oder schlechten Glauben und wohlmeinende und böswillige Gesinnung, zum Feind und musste als solcher unschädlich gemacht werden.“ Das schrieb der Autor bereits 1933! Seine Vergangenheit sollte den „furchtbaren Juristen“ später immer wieder einholen. So wurde ihm 1965 anlässlich einer Baseler Tagung „militanter Antisemitismus“ vorgeworfen.

Als Staatsrechtler befasste sich Ernst Forsthoff mit der Kommentierung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Die Debatte um den Sozial- und Rechtsstaat war durch ihn bestimmt, vor allem in Hinblick auf den Verfassungskontext des Grundgesetzes. Diese Debatte ging ein unter dem Begriff „Forsthoff-Abendroth-Kontroverse“. Forsthoff sah den Sozialstaat nicht als Instrument der Gerechtigkeit, sondern als Mittel zur Verteilung von Wohlstand.

Der Begriff der Sozialstaatlichkeit war nach seiner Ansicht kein Rechtsbegriff und stellte darum keinen Rechtsgrundsatz im Verfassungskontext dar. Wolfgang Abendroth hingegen sah diesen Rechtsgrundsatz sehr wohl hinsichtlich der Notwendigkeit des Erhalts von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gegeben. Forsthoff ist als Vertreter der traditionellen (wenn nicht konservativen) Rechtslehre bekannt geworden, hier vor allem über den Begriff der Daseinsvorsorge. Eine Debatte, die aktuell die Bundesrepublik Deutschland beschäftigt.

Als 1950 der erste Teil seines „Lehrbuchs des Verwaltungsrechts“ erschien, konnte Forsthoff nicht ahnen, dass er einen Klassiker der bundesdeutschen Rechtsliteratur vorlegen würde. Bereits 1940 hatte ihn der Verlag C. H. Beck aufgefordert, ein umfassendes Lehrbuch für Verwaltungsrecht zu verfassen, das im Frühjahr 1944 erscheinen sollte. Im September 1945 unterrichtete der Autor den Verlag über den Stand des Manuskripts, doch Beck konnte das Buch erst fünf Jahre später erscheinen lassen. Forsthoffs „Verwaltungsrecht“ gehörte daraufhin für zwei Jahrzehnte zu den großen Lehrbüchern der Jurisprudenz. 1973 lag das Werk bereits in der 10. Auflage vor. Es ist heute jedoch nicht mehr lieferbar, weil überholt.

Viele Einzelheiten werden im Stellenkommentar der vorliegenden Korrespondenz erläutert, der jedem Brief beigegeben ist. Eine Bemerkung der Herausgeber ist allerdings haarsträubend: falsch geschriebene Eigennamen seien nicht korrigiert worden, weil keine historisch-kritische Ausgabe angestrebt sei (statt dessen wurden Kurzregesten erstellt.) Es hätte dieser Edition sicher gut getan, wenn sich die verantwortlichen Herausgeber editorische Standards angeeignet hätten. Das ist hier – anders im Falle des Briefwechsels zwischen Gretha Jünger und Carl Schmitt – leider nicht der Fall.

Die beiden Festschriften zum 70. und zum 80. Geburtstag von Carl Schmitt gab Ernst Forsthoff mit heraus (sie erschienen 1959 und 1968 und sind weiterhin lieferbar). Ernst Forsthoff leugnete nie, dass Carl Schmitt sein akademischer Lehrer war. Diese Haltung brachte ihm so manche Anfeindung ein. Der nun vorliegende Briefwechsel dokumentiert zunächst das akademische Lehrer-Schüler-Verhältnis, nachdem Schmitt und Forsthoff sich erstmals 1923 in Bonn begegnet sind.

Hier promovierte Forsthoff 1925 bei Schmitt. Der Briefwechsel bricht in der Zeit des Nationalsozialismus fast vollständig ab und wird erst von Forsthoff anlässlich des 60. Geburtstags von Carl Schmitt am 11. Juli 1948 wieder aufgenommen. Das vorerst letzte Dokument von Forsthoff an Schmitt stammt vom 13. Oktober 1933. Auf drei Briefe von Schmitt an Forsthoff von 1934, 1936 und 1942 sind keine Antworten erhalten. Gab es also bewusst keine Antwort oder sind die Antworten verloren gegangen oder vernichtet worden? Erst 1948 nimmt Forsthoff den Kontakt wieder auf. Dieser erstreckt sich dann bis zum Tode Ernst Forsthof am 13. August 1974 in Heidelberg.

Die eigentliche Korrespondenz umfasst darum die Jahre 1948 bis 1974 mit insgesamt 340 Dokumenten, in den 16 Jahren zuvor sind es nur achtzehn (harmlose) Dokumente. Die Briefpartner tauschen sich ab 1948 vorwiegend über das eigene Fach, über Theorien und Publikationen der Kollegen, über den juristischen Nachwuchs, über die eigene Karriereplanung und über den beruflichen Lebenslauf von Fachgenossen aus. Gelegentlich überspringen beide die Grenze hin zum akademischen Klatsch. Beide teilen sich ihre Ansichten mit über die politische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Die noch junge Republik wird dabei kritisch-konservativ gemustert und kommentiert.

Von Michael Fisch

Literaturangaben:
MUSSGNUG, DOROTHEE / MUSSGNUG, REINHARD / REINTHAL, ANGELA (Hrsg.): Briefwechsel Ernst Forsthoff und Carl Schmitt (1926-1974). In Zusammenarbeit mit Gerd Giesler und Jürgen Tröger. Akademie Verlag, Berlin 2007. 592 S., 49,80 €.
VILLINGER, INGEBORG / JASER, ALEXANDER (Hrsg.): Briefwechsel Gretha Jünger und Carl Schmitt (1934-1953). Akademie Verlag, Berlin 2007. 241 S., 44,80 €.

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