FRANKFURT/MAIN (BLK) - China steht als diesjähriger Ehrengast der Frankfurter Buchmesse weiter im Dauerfeuer der Kritik. Auch am zweiten Tag der weltgrößten Bücherschau geißelten prominente Schriftsteller, Organisationen und Verbände die Menschenrechtssituation in dem Land. Besonders vehement prangerten sie am Donnerstag (15.10.) die Arbeitsbedingungen von Schriftstellern und Journalisten an. Der deutsche PEN forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung von Liu Xiaobo, dem früheren Präsidenten des unabhängigen chinesischen PEN-Zentrums. Er wurde im Dezember 2008 verhaftet und im Juni dieses Jahres angeklagt.
Die frischgekürte Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller sagte, der wirtschaftliche Erfolg Chinas sei zum Bremsklotz bei der Entwicklung der Menschenrechte geworden. „Es ist leider so, dass China sich so rauschhaft entwickelt - in der Wirtschaft und in allen möglichen Bereichen. Aber dass es sich nicht Gedanken darüber macht, dass dabei die Menschenrechte beiseite liegen bleiben“, sagte die Rumänien-Deutsche, die in ihrer Heimat lange Jahre von den Kommunisten verfolgt wurde.
Nach Angaben der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hat sich Chinas Presse- und Internetfreiheit trotz offizieller Zusagen der Staatsführung nicht verbessert. Die Regierung müsse endlich Taten folgen lassen. Der Pekinger ZDF-Korrespondent Johannes Hano sagte: „Es gibt keine Institution, keine freie Presse, der man vertrauen kann.“ Chinesischen Journalisten werden von der Kommunistischen Partei vorgegeben, über was und in welchem Tonfall sie zu berichten haben. Ausländische Korrespondenten dürften sich zwar seit den Olympischen Spielen in Peking frei im Land bewegen. Jedoch bekämen chinesische Interviewpartner häufig Probleme mit den Sicherheitsbehörden.
Auch das deutsche PEN-Zentrum kritisierte die Situation von Journalisten in China erneut scharf: „Die Welt wurde belogen“, sagte Vizepräsident Dirk Sager bei der Vorstellung eines Berichtes über inhaftierte Autoren. Insgesamt seien derzeit mehr als 50 chinesische Schriftsteller und Journalisten in Haft. Vier von ihnen hat das deutsche PEN-Zentrum zu Ehrenmitgliedern ernannt.
Der in Deutschland lebende chinesische Exilautor Shi Ming sagte, die chinesische Staatssicherheit beschränke sich nicht mehr auf die Zensur, sondern gehe selbst in die Offensive. So würden etwa tausende Schreiber beschäftigt, die eine Gegenöffentlichkeit mobilisieren und missliebige Themen verhindern sollten. Shi Ming forderte den Westen auf, stärker mit China in einen Diskurs zu treten. „Wir brauchen keinen Demokratieunterricht, wir brauchen gemeinsames demokratisches Handeln.“
Die offizielle Delegation Chinas verlangte am Donnerstag (15.10.) mehr Respekt für den Ehrengast. „Wir haben diese Reaktion nicht erwartet“, sagte Zhao Haiyun von der staatlichen Verwaltung für Presse und Publikationen (GAPP). China habe ein tolles Konzept geliefert und eine beeindruckende Präsentation vorgestellt. Doch statt sich auf die Literatur zu konzentrieren, beschränke sich die Berichterstattung auf Fragen wie die Menschenrechtssituation. „Die deutschen Medien sind sehr einseitig“, kritisierte Zhao. Als oberste Zensurbehörde entscheidet GAPP, was in China veröffentlicht werden darf. (dpa/gai)
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