Neulich war im „Tagespiegel zu lesen“, dass die chinesische Sängerin und Tänzerin Na Mou um die Hand des nunmehr geschiedenen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy angehalten habe. Mit der Begründung, er wäre bei ihr viel besser aufgehoben, da sie für ihn singen, tanzen und für Romantik sorgen würde. Sie stamme aus einem Volksstamm, in dem „die Frauen die Macht haben und sich einen Mann zum Heiraten aussuchen“.
Leider sind solche Chinesen in den zweihundert Jahren, in denen die Berliner der Chinesen ansichtig werden konnten, nicht verbürgt. Chinesinnen sind gar sind erst in den flotten 1920er Jahren auf die Berliner losgelassen worden – wenn auch in geringer Anzahl.
Vielmehr zeigen zum Beispiel das Teehaus im Schlosspark zu Potsdam und auch die Gemälde des Berliner Malers Christian Bernhard Rode, um 1770 als Supraporte in Schloss Britz gemalt und heute in der Gemäldegalerie am Kemperplatz ausgestellt, dass die Berliner sich ein völlig europäisches Bild von den Chinesen machten.
Die Leiterin des Konfuzius-Instituts an der Freien Universität Berlin, Dagmar Yu-Dembski, 1943 als Tochter einer Berlinerin und eines Chinesen in Berlin geboren, hat mit dem Heimatmuseum Charlottenburg versucht, dieses Bild zu korrigieren.
In einer Ausstellung, die noch bis zum 20. Januar 2008 dort zu sehen ist, werden Fotos und Spuren dieser ersten Chinesen im Berliner Raum bis heute gezeigt. Dass die Ausstellung begleitende Buch aus dem Berliner Verlagshaus be.bra ist aber auch ohne einen Besuch aufschlussreich und gut bebildert.
Die ersten Chinesen, 1822 auf Betreiben des Kaufmanns Heinrich Lasthausen nach Berlin gekommen, konnte man für 6 Groschen in der Behren-/Ecke Friedrichstraße besichtigen. Sie spielten Kniegeige, schrieben chinesische Zeichen und sagten einige chinesische Sätze fürs preußische Volk auf.
Es war nicht ungewöhnlich für die Zeit, dass Menschen aus fernen Ländern auf Jahrmärkten vorgeführt wurden. Die Berliner allerdings fanden sie wohl nicht exotisch genug, die Veranstaltung war wenig erfolgreich. Jedoch der Direktor der Akademie der Künste, der Bildhauer Gottfried Schadow, porträtierte sie, so dass ihr Konterfei der Nachwelt überkommen ist. Einer der vorgeführten Chinesen hatte unter seinem Taufnamen Friedrich Wilhelm Assing eine Clara Kraftmüller geheiratet. Im Familienbesitz dieser Nachkommen befinden sich bis heute Erinnerungsstücke.
In der Kaiserzeit kamen dann chinesische Gesandte an die Spree, zumal das Deutsche Reich bis zum Ende des 1. Weltkrieges die chinesische Provinz Shandong als Kolonie besaß und Handelsbeziehungen zum Reich der Mitte pflegte.
Eine zweite Welle von Chinesen kam in den 1920er Jahren nach Berlin. Es waren gutbürgerliche Studenten und einige wenige Studentinnen, die vor allem an der Technischen Hochschule in Charlottenburg studierten. Daher fand man sie hauptsächlich im Umfeld der Kantstraße. Unter den Studenten waren auch der spätere Ministerpräsident Zhou Enlai und Zhu De, der sich in reiferem Alter als erfolgreicher Marschall im chinesischen Bürgerkrieg einen Namen machte.
Außerdem siedelten sich chinesische Kaufleute und Händler in der Gegend um den Schlesischen Bahnhof an, den heutigen Ostbahnhof. Dieses Viertel nannte man in der Weimarer Republik auch China Town, wenngleich es mangels Größe nicht vergleichbar war mit den Chinesenviertel in anderen Metropolen wie etwa in Londons Soho.
Dagmar Yu-Dembskis Eltern durften während der Nazizeit aus rassehygienischen Gründen nicht heiraten. Anderen erging es ähnlich, so dass erst seit 1945 eine größere gemischt deutsch-chinesische Population in Berlin anzutreffen ist. Einige China-Restaurants haben die Bomben des 2. Weltkriegs nicht überstanden. Andere, wie das 1947 gegründete „Canton“ am Stuttgarter Platz, hat bis in die West-Berliner Jahre durchhalten können. Hier habe ich 1963 das erste Mal Chinesisch und mit Stäbchen essen gelernt – was maßgeblich dazu beitrug, dass ich nach meinem Abitur 1969 Sinologie zu studieren begann.
Andere und feinere China-Lokale wie das „Hongkong“ und das „Taitung“ öffneten um den Kurfürstendamm und die Gedächtniskirche. Letzteres wirbt heute noch mit dem Konterfei Harald Juhnkes, der der Schwiegersohn des Restaurant-Gründers Hsiao war.
Erst mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China in den 1970er Jahren sind wieder Festland-Chinesen zum Studieren nach Berlin gekommen. Mitunter im Austausch mit deutschen Studenten, die im Gegenzug nach China gehen.
Während meiner Studienzeit Anfang der Siebziger Jahre waren wir zwanzig Hauptfachstudenten, nach der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, besonders in den achtziger und neunziger Jahren wuchs die Zahl der Sinologie-Studierenden auf Tausend.
Heute ist es bereits an mehreren Berliner Schulen möglich, Chinesisch als zweite oder dritte Fremdsprache zu lernen. Chinesische Traditionelle Medizin, nach meinem Besuch in China 1972 in Berlin vorgestellt und von Zuhörern noch als „maoistische Verblendung“ verteufelt, ist mittlerweile in den deutschen Arztpraxen etabliert. Und Akupunktur wird von den meisten Krankenkassen bezahlt.
Die Entwicklung hin zu einer engeren Kooperation betrifft also bei weitem nicht nur den wirtschaftlichen Sektor. So existiert seit 1994 eine Städtepartnerschaft zwischen Peking und Berlin. 2000 wurde schließlich der Chinesische Garten in Berlin-Marzahn eingeweiht – der größte in Europa.
Ausstellung (noch bis zum 20. Januar 2008): Chinesen in Berlin. Heimatmuseum Charlottenburg, Schloßstraße 69, 14059 Berlin. Dienstag bis Freitag 10-17 Uhr, Sonntag 11-17 Uhr; Feiertagsregelung gesondert erfragen: Tel. 030/9029-13201
Führungen zur Seidenproduktion in Preußen und im Chinesischen Garten Marzahn bietet an: Individuelle Stadt- und Parkspaziergänge, Telefon: 030/892 13 38
Literaturangaben:
YU-DEMBSKI, DAGMAR: Chinesen in Berlin. Herausgegeben von Birgit Jochens, dem Heimatmuseum Charlottenburg-Wilmersdorf und dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin. berlin edition im be.bra verlag, Berlin 2007. 160 S., 14,90 €.
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