BERLIN (BLK) – „IM stand da, ich habe es nicht glauben wollen.“ Mit diesen Worten berichtet die Schriftstellerin Christa Wolf (81) erstmals ausführlich über ihre Erlebnisse in der Stasi- Unterlagenbehörde. Dort war sie nach dem Zusammenbruch der DDR vor 20 Jahren nach der vorhergehenden, tagelangen Lektüre der 42 Stasi-Akten über ihre eigene Bespitzelung in der DDR („Ich fühlte mich besudelt“) auch auf eine dünne sogenannte „Täterakte“ über ihre kurzzeitige Zusammenarbeit mit der Stasi Ende der 50er Jahre gestoßen.
Zu lesen ist das in ihrem neuen Roman „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“, der am 21. Juni im Suhrkamp Verlag erscheint. Bereits am 16. Juni will Wolf das Buch in einer Deutschland-Premiere in der Berliner Akademie der Künste vorstellen, deren Mitglied sie ist.
„Ich will herausfinden, wie ich damals war. Warum ich mit denen überhaupt geredet habe. Warum ich sie nicht sofort weggeschickt habe“, notierte Wolf. Vielleicht, weil „ich sie noch nicht als „die“ gesehen habe, glaube ich.“ Nur zwei, drei Jahre später „hätte ich „die“ nicht mehr zur Tür hereingelassen. Anderen habe ich das dann mit Erfolg geraten.“ Als Freunde ihr später sagten, sie habe doch niemandem geschadet, meinte Wolf: „Doch, sagte ich trotzig. Mir selbst.“
Der Buchtitel „Stadt der Engel“ meint Los Angeles, wohin sich Wolf Anfang der 90er Jahre und auf dem Höhepunkt des „deutsch-deutschen Literaturstreits“ für einige Monate zurückgezogen hatte. Im nahe gelegenen Santa Monica am Pazifischen Ozean ging sie auch den Spuren deutscher Künstler nach, die als Emigranten in der Zeit des Nationalsozialismus in Kalifornien ein kleines „deutsches kulturelles Zentrum“ gebildet hatten wie Thomas Mann und Bertolt Brecht.
Die Erzählerin in dem Roman, laut Wolf „ein verwandeltes Ich“, gerät in eine existenzielle Krise. In zahlreichen Gesprächen im idyllischen Hotel in Santa Monica und in Selbstreflexionen „nähert sich die Erzählerin dem Kern dessen, was sie quält, was sie überlebt hat, wovon sie zu berichten hat“, heißt es in der Ankündigung des Suhrkamp Verlages. Nach der Entdeckung ihrer eigenen „Täterakte“ trieb die Schriftstellerin („Nachdenken über Christa T.“, „Kindheitsmuster“) vor allem eine Frage um: „Wie konnte ich das vergessen?“ (dpa/ton)
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