LÜBECK / BERLIN (BLK) - Christa Wolf sah die DDR und die SED mit kritischer Distanz, blieb ihr aber bis zum Schluss treu. Vielen kritischen Lesern in Ost und West galt und gilt sie als moralische Instanz des anderen Deutschlands, andere halten ihr literarisches Werk für überschätzt. Sie hat zahlreiche Literaturpreise erhalten, darunter den Uwe-Johnson-Preis 2010, den Deutschen Bücherpreis, den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur und den Georg- Büchner-Preis. Am Sonntag wurde ihr der mit 25 000 Euro dotierte Thomas-Mann-Preis verliehen.
Christa Wolf wuchs mit ihren Brüdern in Landsberg an der Warthe (heute: Gorzów Wielkopolski) auf, wo sie am 18. März 1929 zur Welt kam. 1945 flüchtete ihre Familien nach Mecklenburg. Von 1949 bis 1953 studierte sie Germanistik in Jena und Leipzig. In dieser Zeit heiratete sie den Schriftsteller Gerhard Wolf. Ihr erstes Buch, die „Moskauer Novelle“, veröffentlichte sie 1961.
Erst 1993 war bekanntgeworden, dass Wolf von 1959 bis 1962 von der Stasi zunächst als „Gesellschaftliche Mitarbeiterin“ und dann als IM „Margarethe“ geführt worden ist, was die Autorin nach eigenem Bekenntnis verdrängt hatte. Dagegen steht, dass sie und ihre Familie seit Ende der 60er Jahre systematisch von der Stasi ausspioniert wurden. „Ich verlasse mich darauf, dass die Leser in meine Bücher schauen und sehen, dass ich keine Staatsschriftstellerin war“, sagte sie dazu einmal.
In den letzten Jahren der DDR empfand Wolf es zunehmend als Belastung, immer mehr als Galionsfigur für Zivilcourage und Widerstand in Anspruch genommen zu werden und weniger als Literatin. Nach ihrem Auftritt auf der Massendemonstration am 4. November 1989 sah sie sich einem gesellschaftlichen „Erlösungs-Erwartungsdruck“ ausgesetzt, sogar als Staatspräsidentin einer „neuen DDR“ war Christa Wolf im Gespräch.
Zu ihren wichtigsten Werken gehören die Romane und Erzählungen „Nachdenken über Christa T.“, „Kindheitsmuster“, „Kein Ort. Nirgends“, „Kassandra“, „Medea. Stimmen“ und „Der geteilte Himmel“. Ihr jüngster Roman „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“ erschien im Sommer dieses Jahres. Das Buch erhält autobiografische Erinnerungen an ein Leben in drei deutschen Staats- und Gesellschaftsformen. (bal/dpa)