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Claudio Magris: Großer Europäer und Autor

Ideal von einem Europa der Freiheitsrechte und des Gemeinwohls

© Die Berliner Literaturkritik, 19.10.09

Von Thomas Maier und Hanns-Jochen Kaffsack

FRANKFURT/MAIN (BLK) - Eigentlich ist Claudio Magris der perfekte Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels: ein brillanter Autor und ein hervorragender Kenner Deutschlands, ein Kämpfer für ein vereintes Europa und ein scharfer Kritiker der Attitüden von Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Dennoch war das Echo nicht uneingeschränkt positiv, als Magris die renommierte Auszeichnung im Juni zuerkannt wurde, die er am Sonntag (18.10.) in Frankfurt entgegennahm. Kritiker bemängelten, Magris’ Ideal von einem Europa der Vielfalt sei angesichts aufflackernder Nationalismen und wachsender Europamüdigkeit nicht mehr zeitgemäß.

Doch der 70 Jahre alte Germanist hat seinen Traum noch lange nicht aufgegeben, wie er in seiner Rede in der Paulskirche deutlich machte. „Auf Europa wartet die große und schwierige Aufgabe, sich den neuen Kulturen der ‚neuen Europäer’ aus der ganzen Welt zu öffnen, die es durch ihre Mannigfaltigkeit bereichern.“ Er beklagte einen neuen Populismus und Barrieren, der „Demokratien ohne Demokratie“ schaffe. Und Magris meinte damit nicht nur sein Heimatland, sondern ganz Europa.

Der Literaturprofessor ist von Geburt an ein Grenzgänger: Er kommt aus der lange umkämpften Grenzstadt Triest - an der Kreuzung der italienischen, slawischen und deutschen Kultur. Wie kaum ein anderer Publizist hat er in seinen intellektuell bestechenden Essays und Romanen das Verbindende der Grenzen in Europa beschrieben. Damit ist Magris auch ein Grenzgänger zwischen Literatur und Philosophie, ein Flaneur durch die europäische Kultur geworden.

Magris, dessen Mutter Deutsch konnte und der später in Turin und Freiburg studierte, wurde mit seiner Doktorarbeit „Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur“ (1963) schlagartig bekannt. Seine Fahrt entlang der Donau („Donau. Biographie eines Flusses“, deutsch 1988) von der Quelle bis zur Mündung ist ein großartiges Projekt, europäische Geschichte und Gegenwart miteinander zu verbinden. Sein jüngster Roman „Blindlings“ (deutsch 2007) gilt ebenfalls als Erkundung der schwierigen europäischen Seele von der Antike bis zur Gegenwart.

Auch in die Politik seines Landes hat sich der Vater zweier Kinder immer wieder eingemischt. Für die „Pop-Politik“ eines Silvio Berlusconi, der sich über Urteile der höchsten Richter einfach hinwegsetzt, hat er nur Verachtung übrig. Italien habe sich von den Regeln der klassischen Demokratie verabschiedet, sagt er fast resignativ über diese „schwierige Situation“.

Von 1994 bis 1996 saß Magris als unabhängiges Mitglied eines Linksbündnisses für die Grenzregion Triest im römischen Senat. Aus Enttäuschung über die Regierung unter Berlusconi gründete er 2002 mit Umberto Eco und anderen Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur die Vereinigung „Libertà e Giustizia“ (Freiheit und Gerechtigkeit). Als Essayist und Kolumnist der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ nahm er zu innen- und außenpolitischen Themen Stellung.

Für seine Leistung erhielt der Sohn eines Versicherungsbeamten und einer Lehrerin zahlreiche Auszeichnungen. Darunter sind der Premio Strega (1997), der Prinz-von-Asturien-Preis (2004) und der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur (2005). Seit Jahren gilt Magris auch als Anwärter auf den Literaturnobelpreis.

Weblink:

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels


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