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„Das Phantom" wird 75

Als Gangsterjäger feiert der erste Comic-Superheld seinen großen Kultstatus

© Die Berliner Literaturkritik, 16.02.11

Von Chris Melzer

NEW YORK (BLK) - Spider-Man trägt eine Maske - aber der erste war er nicht. Superman tritt im hautengen Kostüm auf - aber da war vor ihm schon einer. Batman jagt Verbrecher - nicht als erster. Maskierte und verbrecherjagende Superhelden haben die Comic-Kultur groß gemacht und sind heute weltweit ein Begriff. Selbst die Literaturwissenschaft akzeptiert sie inzwischen. Der erste von allen, „Das Phantom“, wird am Donnerstag (17.2.) 75 Jahre alt.

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Dabei unterscheidet sich „Das Phantom“ von allen anderen Superhelden - durch fehlende Superkräfte. Er ist ein Mensch. Seit der an einer einsamen Insel an Land gespülte Kit an der Leiche des Mörders seines Vaters Rache an allen Verbrechern schwor, jagt immer wieder der Sohn des letzten Phantoms die Schurken durch den heimatlichen Dschungel. Deshalb erscheint er zwar unsterblich, aber fliegen, Eisen biegen oder mit Überschall rennen? Fehlanzeige.

Erdacht wurde der Gangsterjäger von Lee Falk. Als Theaterregisseur arbeitete er mit Marlon Brando, Paul Newman und Charlton Heston, doch Falks Leidenschaft waren Comics. Superhelden waren zwar im Grunde schon Robin Hood, Herkules und vor fast 5.000 Jahren der Sumerer Gilgamesch. Doch Falk packte alles in die Bildergeschichten des Comics, setzte seinem Helden eine Maske auf und steckte ihn zur Verbrecherjagd in ein hautenges Kostüm. Als das erste Heft am 17. Februar 1936 erschien, war so etwas brandneu. Kollegen wie der Super-, der Spinnen- oder der Fledermausmann kamen erst später.

Für Bernd Dolle-Weinkauf ist „Phantom“ eines der interessantesten Comics überhaupt. „Da wurden erstmals Genres vereint, das Mystery- und das Dschungelabenteuer. Diese Kreation war schon vor 75 Jahren wegweisend“, sagt der Frankfurter Literaturwissenschaftler. Für ihn sind Comics längst Kunst - zumindest zum Teil: „Das Bild von den Billigheften geht nicht weg. Aber gerade in den letzten zehn Jahren hat sich bei der Akzeptanz sehr viel getan. Nicht nur, weil wir toleranter sind. Die Comics wurden einfach besser.“

Der Forscher entdeckt bei einigen Büchern eine „faszinierende Literarizität“: „Die Batman-Geschichten von Frank Miller haben eine Tiefe, die ihresgleichen sucht.» Dabei sei der Trend zu hochwertigen Comics eigentlich aus Europa ins Mutterland geschwappt. In den USA nennt man sie dann allerdings etwas verschämt „graphische Romane“.

Dabei sind für James Kakalios Comics einfach die modernen Märchen: „Vor 200 Jahren haben die Gebrüder Grimm faszinierende, gruselige und manchmal grausame Geschichten erzählt, heute sind es die Comics. Da sind mal grottenschlechte, aber auch ganz großartige dabei.“ Der Physikprofessor hat die Superhelden unter die Lupe genommen. „Natürlich kann kein Mensch so schnell laufen wie der Schall. Aber wir wollten wissen: Wenn doch, könnte man dann über Wasser laufen? Könnte man eine Kugel fangen?“ Sein Fazit: „Man kann. Viele Hefte sind wissenschaftlich auf einem hohen Niveau.“ Kakalios ist selbst Comicfan und erklärt warum: „Es siegen immer die Guten. Ihnen geht es nie um Geld oder Ruhm, sondern nur um das Recht. Solche hoch ethischen Geschichten sind doch genau das richtige für die Jugend.“

Auch „Iron Man“-Erfinder Matt Fraction begreift die Hefte als Kunst. „Der Autor erzählt eine Geschichte und weckt die Phantasie seines Lesers - nichts anderes ist Literatur.“ Es gebe schlechte und gute Comics - genau wie Romane. „Aber einfach zu sagen, das ganze Genre ist doof, wäre reichlich oberflächlich.“ Die Europäer seien aber sorgsamer: „In den USA werden die Hefte als Wegwerfprodukte behandelt. In Frankreich, Belgien und Deutschland ist man viel aufmerksamer.“ Deshalb wäre er, in Anspielung auf „Asterix“-Zeichner Albert Uderzo, „manchmal gern Franzose“: „Alle fünf Jahre ein Heft machen, das dann großformatig in besten Farben gedruckt wird und sich auch noch wie wahnsinnig verkauft - das ist der Himmel.“


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