RICHARDS, KEITH. Life. Aus dem Englischen von Willi Winkler, Ulrich Thiele und Wolfgang Müller, Heyne, München 2010. 736 S., 26,99 €.
Von Stephanie Schick
„Rock ´n Roll ist keine Musikrichtung. Rock ´n Roll ist eine Lebenseinstellung.“ Diese These schwingt in jedem Satz der Biographie von „Urgestein“ Keith Richards mit. Auf über 700 Seiten plaudert er im schnoddrigen Tonfall, wie es sich für eine Rock´ n Roll-Legende gehört. Mithilfe seines wiedergefundenen Tagebuchs und seinem - nach eigenen Angaben – untrüglichen Gedächtnis schreibt Keith Richards die Geschichte der skandalumwitterten Rolling Stones zwar nicht neu, aber äußerst detailliert wieder auf und würzt sie mit so manch pikanter Eigennote. Denn wer weiß schon, was mit Anita Pallenberg auf dem Rücksitz des Bentleys 1967 auf der Fahrt nach Valencia geschah?
Mit einer Episode aus den Siebzigern beginnen Richards Memoiren. Er und einige Bandgenossen befinden sich auf Abwegen im amerikanischen Hinterland, wo sie zwischen zwei Gigs zufällig gelandet sind. Man fährt mit einem auffälligen Straßenkreuzer, der bis zum Anschlag mit Fusel und Drogen beladen ist, durch die Provinz und erregt – welch Wunder – Aufsehen. Und schon findet sich der geneigte Leser inmitten wilder Wortgefechte und absonderlicher Gerichtsverhandlungen. Man taumelt zwischen Polizeischikanen und Auftrittsverboten und bemerkt, wie viel sich in den letzten vierzig Jahren verändert hat. The times they are a changin´.
Ab dem zweiten Kapitel wird es chronologisch. Von einer entbehrungsreichen Kindheit, die dafür aber die Fantasie beflügelte, ist die Rede. Richards macht seinen Großvater Gus für seine Leidenschaft zum Gitarrespielen verantwortlich. Mit diesem Instrument, das laut Richards der Physiognomie einer Frau sehr ähnelt, begann seine erste große Leidenschaft, die bis heute währt. Mit ihr zusammen entdeckte er die große Liebe: den Blues.
Frisch von der Schule verwiesen traf Keith Gleichgesinnte in einschlägigen Clubs. Man musizierte zusammen mit dem einen Ziel: Man wollte so klingen wie die Bluessänger aus den Staaten. Zu diesem Zweck ahmte man deren Musikstil nach und dechiffrierte jegliche Raffinessen der Musik eines Chuck Berry oder Bo Diddley.
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Dass man mit diesen Granden später gemeinsam touren würde, schien utopisch und war – wenn man Richards makellosem Gedächtnis trauen möchte – auch gar nicht anvisiert. Die Jungs spielten sich einfach von Gig zu Gig und bekamen oftmals nicht einmal Gage. Spaß und Liebe zur Musik standen im Vordergrund und so trotzten die jungen, unbekannten Stones in einer feuchten Wohnung dem kalten Winter. Mit ihrem wenigen Geld fütterten sie nicht etwa den Heizkörper. Nein, damit bestachen sie den besten Schlagzeuger weit und breit: Charlie Watts. Darin offenbarte sich ihr Wille zur Perfektion, der sie schließlich zum Erfolg führen sollte. Der Rest ist Musikgeschichte. Und die soll hier nicht verkürzt nacherzählt werden. Stattdessen empfiehlt es sich, den Schmöker einfach zu greifen und genüsslich auf dem Sofa zu verschlingen. Wahlweise dreht sich im Hintergrund „Goat´s head Soup“ aus dem Jahre 1973 mit dem passenden Song: winter.