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Woher kommt „Das Ei des Kolumbus“?

Gründlich recherchierte und spannend erzählte Sprüchegenealogie

© Die Berliner Literaturkritik, 26.06.09

Das Coverbild hätte schöner ausfallen können, der Titel spannender und der Rückumschlag anregender als „Wer weiß schon wo die und die Redensart herkommt?“. Das schwarze Buch mit den blau-weißen Nuancen wirkt auf den ersten Blick buchhalterisch-deutsch mit einem nur angedeuteten Schuss Farbenfreude. Die Aufmachung hölzern, die Rhetorik, die zum Kauf anregen soll, eine althergebrachte Attitüde, gewürzt mit dem Akzent der Besserwisserei: „Wir benutzen ständig diese Begriffe und wissen überhaupt nicht, was sie eigentlich sagen“, mahnt uns der ehemalige Arzt und Autor dieses Buches Till Bastian.

Wer jetzt aber meint, dass der Inhalt dieses Werkes genau so schlecht wegkommt wie der erste Blick, dem sei vorweg erklärt, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Denn die 88 Redensarten, Floskeln, Metaphern oder berühmt gewordenen Zitate werden interessant aufgearbeitet, sinnvoll nahe gebracht und häufig sympathisch, kritisch und historisch genau beleuchtet. Keine Entschuldigungen konservativer Natur, warum dies früher mal so ungerecht war und warum man dies doch bitte zu verstehen habe. Nein, Till Bastian spricht Klartext und informiert dazu gekonnt.

Beispiele gefällig? Nehmen wir zunächst den „Durchschnittsbürger“, dessen historische Geburt Bastian zu Beginn des 19. Jahrhunderts verortet. Anschließend stellt er die grundlegende Problematik dieses Begriffs dar und versieht ihn abschließend mit einem einfachen, aber bissigen Kommentar: Jeder „Durchschnittsbürger“ muss nämlich als Minimarktanalyse herhalten, um den Profit von Wirtschaftsunternehmen zu steigern.

Lustig hingegen ist ja die alt bekannte Floskel „am Arsch der Welt“, die, die Klugscheißer (sic!) wissen es schon, aus der römischen Besatzungszeit stammt, als die unwirtliche und kalte Ostseite des Rheins als „anus mundi“ bezeichnet wurde. Und dass „der Duft der weiten Welt“ plumpe Zigarettenwerbung der Nachkriegesära gewesen ist, wissen eben auch nur noch diejenigen, die daran teilhatten. Alle anderen wissen es nun auch, dank dieser Lektüre — und noch so einiges mehr.

Richtig ungewöhnlich und umso glücklicher macht einen der Autor mit seiner lückenlosen Recherche und seiner nüchternen Ehrlichkeit: Bei bestimmten Wendungen weiß man eben nicht so genau, wo sie herkommen, dementsprechend werden also nur die üblichen Vermutungen vorgestellt und das, wie schon erwähnt, mit einer offenherzigen Kritik. Das Schönste an der Sache: Der Mann hat Medizin studiert und sogar angewandt, so dass man all die gerade erwähnten Lobhudeleien gar nicht glauben mag. Wohl an, es ist aber so!

Abschließend eine lustige Anekdote: Das Ei des Kolumbus, diese Wendung für die Fähigkeit innovativer und notwendiger Weiterentwicklung, hat der alte Italiener damals selbst in die Tat umgesetzt. Als ihm, nach seinen ersten Reisen als Entdecker der Welt gefeiert, dennoch kritisch attestiert wurde, dass das ja eigentlich gar nicht so schwer war, nahm der Genuese ein Ei und fragte die anwesenden Herren Kritiker der Politik und des Adels, wer es auf eine Seite stellen könne. Niemandem gelang dies, außer Kolumbus selbst, der eine der beiden Spitzen zudrückte, wie wir es heute an Ostern machen, und es so aufstellen konnte. Ei, Ei, Ei, was weiß ich da, wird bald ein jeder nach dieser Lektüre singen dürfen.

Von Marco Gerhards

Literaturangabe:

BASTIAN, TILL: Treppenwitz mit Stein im Brett. 88 Redensarten, Metaphern, Floskeln – wo sie herkommen, was sie sagen. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2009. 160 S., 22,00 €.

Weblink:

S. Hirzel Verlag


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