Von Cordula Dieckmann
MÜNCHEN (BLK) – Die kluge Hausfrau aus den 60er Jahren wusste es: Zum Kaffeeklatsch kam nur das feinste Porzellan auf den Tisch, dazu eine handgestickte Decke und passende Servietten. Denn schließlich hatte die Gastgeberin ihren guten Ruf zu wahren, wenn ihre Freundinnen sich bei ihr zum Kränzchen versammelten. Der größte Stolz und Anlass für eifersüchtigen Wettstreit waren der selbst gebackene Kuchen und der sorgfältig zubereitete Kaffee. Heute, scheint der Kaffeeklatsch weitgehend ausgestorben. Junge Frauen sitzen lieber bei Latte Macchiato und Fertigkuchen, wenn sie nicht gleich ins Café gehen.
„Es ist sehr pragmatisch geworden, es wird nur noch wenig gebacken“, gibt die Münchner Volkskundlerin Katja Mutschelknaus zu. „Aber die Rudimente dieses Rituals, zusammen sitzen und über die Kinder, den Mann und über Frauenthemen reden, die sind heute noch da.“
In ihrem mit Bildern liebevoll gestalteten Buch „Kaffeeklatsch - Die Stunde der Frauen“ ist Mutschelknaus dem rund 300 Jahre alten Brauch nachgegangen. Vom ersten Kaffeeausschank in Bretterbuden über das Damenkränzchen im Biedermeier bis hin zum Hausfrauenwettstreit der 60er Jahre. Zitate und amüsante Details bereichern ihr Werk, etwa über den Tod am Kaffeetisch oder über das richtige Verhalten junger Damen – so genannter Backfische.
Angespornt wurde die Autorin von ihren eigenen Kindheitserinnerungen. Ihre Oma mit frisch gelegten Locken und Brosche am Kleid, eine Kristallvase mit Rosen auf dem herausgeputzten Tisch. „Dieser besonders spannende Moment, wenn man sich ein schönes Kleid angezogen hat, und man durfte vielleicht selber schon die erste Torte backen und hat sie stolz den Damen präsentiert, ich hab das ganz oft bei meiner Großmutter erlebt“, sagt Mutschelknaus und gibt unumwunden zu: „Ich bin kaffeeklatschsüchtig!“
Doch worin liegt der Reiz dieser Treffen? „Ein besonderer Moment, ein Glanzlicht der Alltagskultur, das macht den Charme des Kaffeekränzchens aus, dass man es schafft, mit wenigen Möglichkeiten diesem öden Alltag wenigstens mal eine helle Stunde abzugewinnen“, versucht Mutschelknaus eine Erklärung. Für die Frauen im 18. und 19. Jahrhundert waren sie auch Flucht aus der Einsamkeit, denn lockere Verabredungen außer Haus ziemten sich nicht.
Die Volkskundlerin sieht sogar eine erste Möglichkeit der Emanzipation für Ehefrauen, die in engen bürgerlichen Konventionen gefangen waren. „Im Beisein von Freundinnen und ermutigt durch eine Atmosphäre der Vertrautheit lernten jedoch auch sie, eigene Standpunkte einzunehmen und im gemeinsamen Austausch zu reflektieren“, schreibt sie. „Es ist durchaus so, dass diese Gespräche am Kaffeetisch den Frauen eine Art Studium ersetzten.“
Man habe die Rezepte und das Aussehen der Hausfrau gelobt, über die Kindererziehung geredet und Manöverkritik geübt. „Es ging darum, den Charakter zu bilden.“ Auch über Bücher oder Musik tauschten sich die Damen aus – und natürlich über Klatsch und Tratsch, sehr zum Leidwesen der Männer. Ihnen waren diese Frauenrunden deshalb auch oft suspekt. Ebenso wurden Heiratspläne entwickelt. „Das war keine gemütliche Sahnestunde, das war harte Beziehungsarbeit“, sagt Mutschelknaus, die für ihr Buch unzählige Kaffeekränzchen besucht und Kochbücher, Benimmbücher, Erbauungsliteratur und Bücher über Mädchenerziehung aus drei Jahrhunderten gewälzt hat.
Heutzutage hat Kaffeeklatsch bei vielen den Beigeschmack einer spießigen Tratschrunde korpulenter Frauen, die zuckersüßes Hüftgold futtern – „aber bitte mit Sahne“, wie Udo Jürgens es besingt. „Sie pusten und prusten, fast geht nichts mehr rein, nur ein Mohrenkopf höchstens, denn Ordnung muss sein!“ Dem hält Mutschelknaus vehement entgegen: „Bieder oder nicht, ich glaube, es macht einfach Spaß!“ Sie liebt verspielte Kaffeenachmittage „mit Rosentorte und Gänseblümchen und dann noch ein Veilchen“.
Außerdem hat die Kaffeerunde für sie auch etwas Sinnliches. Kaffee sei mit seiner Herbheit ein maskulines Getränk. „Da sitzt man mit diesem männlichen Getränk und redet über frauliche Dinge, das ist schon reizvoll.“ Und auch wenn der Kalorienwahn dem Kaffeklatsch in breiter Schicht den Garaus gemacht habe: „Langsam fängt man an, zu erkennen, dass es nicht unbedingt die große Buttercremetorte sein muss, das kleine, feine Törtchen tut’s auch.“
Literaturangaben:
MUTSCHELKNAUS, KATJA: Kaffeeklatsch. Die Stunde der Frauen. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2008. 144 S., 19,95 €.
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