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Das Leben der Anderen im Mafia-Land

„Das Gegenteil von Tod“ von Roberto Saviano

© Die Berliner Literaturkritik, 26.02.09

 

Von Hanns-Jochen Kaffsack

Weltbekannt geworden ist Roberto Saviano mit seinem Enthüllungsbuch „Gomorrha“ über die Machenschaften der Camorra rund um Neapel. Seine bittere Abrechnung mit dem organisierten Verbrechen in seiner Heimat brachte den jungen Journalisten und Autoren überall in die Medien, so dass sich die „Krake Mafia“ zu sehr ins Rampenlicht gerückt sah und den 29-Jährigen Urheber von all dem Aufsehen mit dem Tod bedroht. Irgendwo versteckt, steht er unter Personenschutz. Aber der Schriftsteller hat nicht nur Verbrecher im Visier. Das bezeugt er mit zwei eindringlichen Erzählungen von 2007, die unter dem Buchtitel „Das Gegenteil von Tod“ die desolate Lebens- und Bewusstseinslage im Mafia-verseuchten italienischen Süden aus persönlicher Sicht zeigen.

Es geht um das Leben der Anderen im kampanischen Herrschaftsgebiet des organisierten Verbrechens. Und es ist ein dünnes Buch, lakonisch geschrieben. Das allerdings nach „Gomorrha“ den Blick jetzt erweitert auf all jene, die nicht für einen der Clans arbeiten wollen, in ihrem Leben und ihrem Alltag aber gleichermaßen von der trostlosen Realität des Mezzogiorno durchdrungen sind: „Es gibt Orte, an denen geboren werden schuldig werden bedeutet. Der erste Atemzug und der letzte Schnupfen sind ein und dasselbe. Sie bedeuten Schuld“, heißt es in „Der Ring“. Was sagen will: Betroffen sind hier alle, ob Opfer oder Täter, und wer dem nicht den Rücken kehren kann, der ist gescheitert.

Viele von denen, die nicht kriminell werden und dennoch überleben wollen, melden sich freiwillig zum Militär - und kommen womöglich in einem Sarg von ihrer „Friedensmission“ in Afghanistan zurück. In der ersten Kurzgeschichte „Das Gegenteil von Tod“ trifft der Ich-Erzähler auf die 17-jährige Kinderwitwe Maria, deren Bräutigam Gaetano tot aus dem fernen Afghanistan zurückgebracht worden ist. Zurück in das Land, in dem man täglich trainiert, „alles so zu nehmen, wie es kommt.“ Und weil Militärdienst Arbeit und Brot bedeutet, stammen die meisten der italienischen Soldaten auf „Friedensmission“ aus dem Süden (wo es zu wenig „saubere“ Arbeit gibt) - und die meisten Gefallenen ebenfalls.

In den Text „Der Ring“ steckt Saviano auch seine ganze Wut auf jene, die, weil sie Süditalien nicht kennen, nicht verstehen, worum es geht: Eine unbedarfte angehende Journalistin hält Mafia-Opfer für kriminelle Täter. Ihr ist auch nicht klar, dass die Blumensträuße am Straßenrand, die Grablichter und Gedenktafeln hier nichts mit jungen Verkehrstoten oder gar mit „Partisanen“ aus dem letzten Krieg zu tun haben. Hier meint das: von Kugeln durchsiebt, aus dem Weg geräumt.

Und über unschuldige Camorra-Opfer wie etwa Giuseppe und Vincenzo wird Saviano uns wohl auch aus dem Untergrund heraus weiter die Sicht des verzweifelten Aufklärers und Intimkenners der Mafia zu Protokoll geben. Denn er ist das ewige „Runterschlucken“ leid, weil es nur zum Brechreiz führe. Davon können alle interessierten Leser profitieren.

Literaturangaben:
SAVIANO, ROBERTO: Das Gegenteil von Tod. Carl Hanser Verlag, München 2009. 72 S., 10 €.

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