Von Laszlo Trankovits
Barack Obamas großes Vorbild ist ein Mann, dessen Popularität auch 144 Jahre nach seinem Tod in Amerika ungebrochen ist. Mehr als 50 Bücher erscheinen alleine in den USA zum 200. Geburtstag von Abraham Lincoln, der im Februar mit zahllosen Veranstaltungen gefeiert wurde. Star-Regisseur Steven Spielberg will noch in diesem Jahr seinen großen Lincoln-Film fertigstellen – Liam Neeson soll den 16. Präsidenten der USA darstellen. Kein US-Präsident war so oft Thema von Hollywood-Filmen, neben vielen anderen schlüpften schon Henry Fonda (1939) und Gregory Peck (1982) in die Rolle des beliebtesten und am meisten verehrten Präsidenten der US- Geschichte.
Auch in Deutschland suchen zwei neue Biografien – von dem Arzt und Historiker Ronald D. Gerste sowie von dem Geschichtsprofessor Jörg Nagler – das Phänomen Lincoln zu ergründen. Schließlich sind auch die Deutschen seit jeher von dem Mann fasziniert, über den Willy Brandt einmal sagte, er gehöre nicht den Amerikanern, „sondern uns allen“. Viele Worte Lincolns sind politisches Kulturerbe der ganzen Welt – wie zum Beispiel seine Definition von Demokratie: „Die Regierung des Volkes durch das Volk, für das Volk“.
Die beiden neuen Lincoln-Bücher belegen natürlich auch die unübersehbaren Parallelen zu Obama: Beide Männer mussten sich als gesellschaftliche Außenseiter hochboxen, beide eroberten das Weiße Haus mit kühnen Visionen und machtvoller Redekunst, beide traten ihr Amt in schweren Krisenzeiten an. Lincoln gelang es, das tief gespaltene Amerika in einem blutigen Bürgerkrieg zu einen und letztendlich zu versöhnen, mit der Abschaffung der Sklaverei den Geburtsfehler Amerikas zu beseitigen und die Grundlagen zum Aufstieg zum mächtigsten Staat der Welt zu legen. Obama konnte mit dem Vorbild Lincoln die historische Messlatte kaum höher legen.
Dabei haben die Literaten und Historiker das Bild Lincolns über die Jahrzehnte immer wieder modifiziert – der Autor Gore Vidal schilderte ihn zum Entsetzen vieler Amerikaner als willkürlichen, von Ruhmsucht beherrschten Diktator. Allerdings gibt es heute kaum einen Zweifel daran, dass Lincoln wesentliche Fundamente für die demokratische Identität der Amerikaner und den Aufstieg der USA zur Supermacht legte.
Nagler und Gerste schildern wie die meisten Biografen Lincoln allerdings nicht mehr als den „großen Emanzipator“, dessen zentrales Ziel die Beseitigung der Sklaverei war. Zwar lehnte Lincoln, der sein Leben lang ein problematisches Verhältnis zu Kirche und Glauben hatte, die Sklavenhaltung moralisch ab. Überragendes Ziel des Kriegs gegen die abgespaltenen Südstaaten war für Lincoln aber nicht die Beseitigung der Sklaverei, sondern die Einheit der USA – für die schließlich fast 600 000 Menschen starben. Beide Autoren zeigen, dass für Lincoln mit der Existenz eines einigen Amerika auch das Überleben der Demokratie auf dem Spiel stand.
Die Biografien sind nicht nur Bücher über einen faszinierenden Staatsmann, sie sind auch Bücher über die Idee Amerikas. Denn Lincolns Leben – wie Obamas – sind Belege für die Lebendigkeit der amerikanischen Verheißung und des amerikanischen Traumes. Amerika als Land, in dem jeder Kraft eigener Fähigkeiten und eisernen Willens die Chance zum Aufstieg hat, selbst in das höchste Staatsamt.
Dabei hatte es Lincoln sogar nach schwerer als Obama, dem es zwar gelang, 146 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei als erster Schwarzer ins Weiße Haus einzuziehen, der aber zumindest in einem akademischen Umfeld aufwuchs. Lincoln dagegen verlebte seine Kindheit in bitterarmen Verhältnissen in der Wildnis von Kentucky, musste früh lernen, sich gegen die Widrigkeiten von Armut und sozialer Diskriminierung zu behaupten. Nach einem Selbststudium wurde er Anwalt und kämpfte sich die gesellschaftliche Leiter empor.
Lincoln hat wohl auch sehr viel mehr Intrigen und Feinde überwinden müssen als Obama, bis er schließlich 1861 als Präsident ins Weiße Haus zog. Als Kriegspräsident musste er bittere Feindschaften wie herbe Rückschläge überwinden, private Schicksalsschläge (wie den Tod seines Sohnes) ließen den zum Grübeln neigenden Lincoln schließlich in depressive Phasen fallen. 1865 fiel er dann einem Attentat zum Opfer. Den Mythos Lincolns erschließen beide Biografien, wenngleich die zuweilen professorale Sprache Naglers den Zugang erschwert. Gerstes Buch ist sehr viel flotter geschrieben, man merkt, dass hier ein Sachbuch-Profi am Werke war.
Literaturangaben:
NAGLER, JÖRG: Abraham Lincoln. C. H. Beck, München 2009. 464 S., 26,90 €.
GERSTE, RONALD D.: Abraham Lincoln. Verlag Pustet, Regensburg 2008. 272 S., 26,90 €.
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