Ein junger Schriftsteller, das düstere und geheimnisvolle Barcelona, ein verhängnisvolles Buch vom Friedhof der vergessenen Bücher und das Schicksal seines Autors, das sich immer mehr mit dem des Protagonisten verstrickt und ihn in einen fesselnden Strudel aus bestialischen Verbrechen und düsteren Geheimnissen reißt. Verlassene Häuser, gruselige Keller, falsche Identitäten und die unerfüllte Liebe zu einer unnahbaren Frau – all das kommt uns ziemlich bekannt vor.
Carlos Ruiz Zafóns neuer Roman „Das Spiel des Engels“ spielt nicht nur zeitlich direkt vor seinem Weltbestseller „Der Schatten des Windes“, er benutzt auch die gleichen Bilder und die gleichen Charaktere; dafür aber viele neue Klischees.
David Martín vergeudet sein literarisches Talent damit, unter Pseudonym schaurige Kriminalromane zu schreiben. Von seinem ersten Geld kauft er sich ein mysteriöses, verwahrlostes Haus mit einem Turm, einer alten Schreibmaschine und der schauderhaften Antwort zu einer Reihe von Morden. Von seiner unerfüllten Liebe zu Cristina und einem stetig wachsenden Gehirntumor gezehrt, nimmt er den Auftrag des diabolischen Verlegers Andreas Corelli an, eine neue Religion zu erschaffen. Seine eigene Lage wird dadurch immer brenzliger, um ihn herum kommen Leute brutal zu Tode und das Rätsel um Corelli und das Haus mit dem Turm raubt einem immer mehr den Atem. Die Auflösung ist jedoch unbefriedigend. Die Spannung, die sich wie eine eisig-bedrohliche Gewitterwolke durch das kurz vor dem Bürgerkrieg stehende Barcelona der zwanziger Jahre zieht, versumpft in einem Ende, das weder Motive noch Taten aufdeckt.
Die Übernatürlichkeit, die am Ende als Erklärung für alles fungiert, wertet den kalten Realismus ab, von dem das in der Franco-Ära spielende „Der Schatten des Windes“ gelebt hat und „Das Spiel des Engels“ auch hätte leben können. Der Grusel, der subtil durch den „Schatten des Windes“ geschlichen ist, wird im Folgeroman übertrieben. Vor lauter konspirativer Treffen am Freitag den 13., Überfällen auf dem Friedhof und einer vampierartigen Prostituierten, deren Bordell schon lange verbrannt ist, erinnert „Das Spiel des Engels“ manchmal etwas zu sehr an die Schauerromane, mit denen David seinen Lebensunterhalt verdienen muss.
Aber dennoch: Der Roman ist spannend geschrieben und katapultiert den Leser in das düster-bedrohliche Barcelona, das auch in „Der Schatten des Windes“ verzauberte. Die Charaktere sind teilweise ähnlich besetzt und nur Davids Assistentin Isabella gelingt es, durch ihre humoristischen Dialoge mit David die schauerliche Grundstimmung mit Charme zu beleben. An die Brillanz seines letzten Romans kann Zafón trotzdem nicht anknüpfen.
Von Nora Lassahn
Literaturangaben:
ZAFON, CARLOS RUIZ: Das Spiel des Engels. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 720 S., 24,95 €.
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