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„Das witzigste Vorlesebuch...“

Jürgen von der Lippes persönliche Sammlung

© Die Berliner Literaturkritik, 12.11.09

(BLK) – „Das witzigste Vorlesebuch der Welt“ ist eine Sammlung von Kurzgeschichten bekannter Komiker. Jürgen von der Lippe hat das Buch, welches im Sommer 2009 im Eichborn Verlag erschienen ist, zusammengestellt.

Klappentext: „Wenn Sie sich mit diesen Geschichten vor ein Publikum setzen, werden Sie ahnen, warum Komödianten wie ich so verrückt auf diesen Beruf sind.“ (Jürgen von der Lippe). Muss man mehr sagen als: Horst Evers - Frank Goosen - Harald Martenstein - David Sedaris - Guido Mingels - Fanny Müller - Linus Reichlin - P.J. O Rourke - Dietmar Wischmeyer u. v. a. Nein, mehr muss man nicht sagen, vielleicht noch dies: Jürgen von der Lippe bürgt mit seinem guten Namen für die Qualität dieses Produkts, es ist frei von lachresistenten Rückständen und garantiert entfrustend. Sechs Jahre lang hat Jürgen von der Lippe die Qualität der Geschichten in seiner TV-Show „Was liest du?“ getestet und die besten Kurzgeschichten und Glossen gesammelt, die erstens gut und zweitens bestens geeignet sind, ein Publikum zum Lachen zu bringen.(wer)

Jürgen von der Lippe, dessen bürgerliche Name Hans-Jürgen Dohrenkamp ist, wurde 1948 in Bad Saluflen geboren. Er ist in Deutschland als Fernsehmoderator, Entertainer, Schauspieler und Komiker bekannt. „So isses“, „Geld oder Liebe“ und „Wat is?“ sind nur einige der vielen Unterhaltungssendungen, an denen er mitwirkte. Der Herausgeber von „Das witzigste Vorlesebuch der Welt“ lebt heute mit seiner ersten Ehefrau in Köln.

Leseprobe:

                                                                    © Eichborn Verlag ©

Harald Martenstein - “Über Handys“


Vor Weihnachten sagte das Kind sinngemäß: „Ich wünsche mir von ganzem Herzen ein Handy GX 10i von Sharp. Es kostet 250 Euro. Man bekommt es bei eBay. Mein Lebensglück hängt davon ab.“ Das Kind besitzt schon seit Jahren ein Handy Marke Trium. Aus Korea. Ich selber besitze ein Siemens S 45. Es kann nicht Motorrad fahren und keine Susan-Sontag-Texte übersetzen. Es kann nicht einmal fotografieren. Es ist nur ein braves, ehrliches Handy vom Lande, das versucht, seine Arbeit zu tun. Ich gab zur Antwort:


“Wenn ein Zwölfjähriger ein teureres Handy besitzt als sein Vater, wird die natürliche, göttliche Ordnung der Dinge, wie sie seit Millionen von Jahren besteht, auf den Kopf gestellt. Wenn heute die Kinder teurere Handys besitzen als ihre Eltern, dann wird es morgen Frösche regnen, die Flüsse werden Jungfrauenblut führen statt Wasser und den Bäumen werden Bärte aus Menschenhaar wachsen.“ Das Kind erwiderte: „All dies, was du beschrieben hast, nehme ich gerne in Kauf, Vater, sofern ich nur recht bald das GX 10i von Sharp bekomme.“


Ich ging zum Schulhof. In den Pausen ziehen alle Zwölfjährigen silberne Handys aus den Taschen, klappen sie auf, denn es sind alles aufklappbare, zeigen einander die Displays, führen Klingelgeräusche vor oder rezitieren mit der Inbrunst frisch Verliebter aus der Gebrauchsanweisung. Sie telefonieren mit den Handys nicht. Wozu auch? Zwölfjährige aus bürgerlichen Verhältnissen haben relativ wenig zu telefonieren. Sie führen keine Wochenendbeziehung, sie betreiben kein Networking, sie brauchen nicht mal den ADAC-Pannendienst. Andererseits: Eine Rolex trägt man ja auch nicht, weil man auf die Uhrzeit neugierig ist.

Das Kind bekam zu Weihnachten ein Nokia 3590i. Besser als Trium. Billiger als 250 Euro. Es ist nicht aufklappbar. Das Kind sagte sinngemäß: „Weil du dich bisher nach besten Kräften bemüht hast, ein guter Vater zu sein, will ich dir für dieses Mal verzeihen. Auf dem Schulhof werden sie deinen Sohn mit Spott überschütten, ich aber will meines braven Vaters gedenken und alle Erniedrigungen tapfer aushalten. In der göttlichen Ordnung der Dinge aber steht geschrieben, dass bald Ostern ist. Unser Patenkind in Bolivien wird sich über das Nokia 3590i freuen. Die GX 10i von Sharp werden im Preis sinken. Zu Ostern. Das ist gewiss.“

Ich traf unseren Amerikakorrespondenten. Er legte sein Handy auf den Tisch. Es war mit Tesafilm geflickt, groß wie eine Salatgurke und schwer wie ein Kasten böhmisches Bier. Es ist ein original Siemens E 10 D, mit Dieselmotor. Der Korrespondent sagte: „Alle beneiden mich. Es fängt jetzt nämlich überall mit der Handynostalgie an.“ Die schwarzen Bakelit-Telefone aus den Fünfzigern sind ja schon länger ein Hit. Bald werden sie in Korea Nostalgiehandys bauen, bei denen zur vollen Stunde ein geschnitzter Kuckuck aus dem Display heraushüpft und das Schlesierlied singt.

Wenn ich mal tot bin, bekommt mein Sohn das Siemens S 45.

                                                                © Eichborn Verlag ©

Literaturangabe:

VON DER LIPPE, JÜRGEN (Hrsg.): Das witzigste Vorlesebuch der Welt. Eichbornverlag, Frankfurt am Main 2009. 240 S., 19,95 €.

Weblink:

Eichborn Verlag


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