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„Der Bombenkrieg“

Der Bombenkrieg von 1939 bis 1945

© Die Berliner Literaturkritik, 19.06.09

BERLIN (BLK) — Im Frühjahr 2004 ist im Ch. Links Verlag Rolf-Dieter Müllers Sachbuch „Der Bombenkrieg“ erschienen.

Klappentext: Mit diesem Buch liegt eine fundierte und fesselnde Gesamtdarstellung der verheerenden Bombenkämpfe während des II. Weltkrieges vor. Der Autor, Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, verfolgt die Stationen des Luftkrieges vom deutschen Blitz-Angriff gegen England über die systematischen Bomberoffensiven der Alliierten, die Schlachten um Hamburg, das Ruhrgebiet und Berlin bis hin zur Niederwerfung Deutschlands und zeigt dabei auf, dass keineswegs nur nach den Regeln der ritterlichen Kriegführung gekämpft wurde. Auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse gelingt dem Autor eine allgemein verständliche und gut lesbare historische Einordnung der Ereignisse, ohne das Leid der Betroffenen zu verdrängen. Damit geht sein Buch weit über eine vordergründige Täter-Opfer-Debatte hinaus und bereichert die aktuelle Diskussion über Moral und Unrecht des Bombenkrieges. Zahlreiche Zeitzeugenberichte und historische Fotos sowie ein ausführlicher Anhang mit einer Chronik, mit Literaturverweisen und Registern ergänzen den Band.

Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller, Jahrgang 1948, Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Pädagogik in Braunschweig und Mainz, 1981 Promotion, 1999 Habilitation, seit 1979 wiss. Mitarbeiter im Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Mitarbeit am Großprojekt „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“, seit 1999 Wissenschaftlicher Direktor des MGFA, Professur für Militärgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. (mül/köh)

Leseprobe:

© Ch. Links Verlag ©

Einleitung

Warum ist die Erinnerung an den Bombenkrieg der Jahre 1939—1945 wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt? Die Erklärung, dieses und andere historische Ereignisse seien seit Jahrzehnten tabuisiert worden, kann angesichts einer Flut von Erinnerungsliteratur, Dokumentationen, literarischen Verarbeitungen und einer Fülle von wissenschaftlichen Forschungen nicht überzeugen. Wichtiger als das Auf und Ab medialer Aufmerksamkeit sind vermutlich die Veränderungen im Dialog der Generationen. Bei denen, die noch heute von ihren Erlebnissen im Bombenkrieg erzählen können, handelt es sich vorwiegend um jene, die den Zweiten Weltkrieg als Kinder und Jugendliche oder als junge Soldaten erlebt haben. Ihre Erinnerungen an die Schrecken der Bombennächte sind deshalb stark emotionalisiert. Aber — auch wenn es für diese Zeitzeugen so ausgesehen haben mochte — die Bomben fielen nicht „einfach so“ vom Himmel, ausgelöst von einem unsichtbaren Feind, der sich nach Kriegsende vom Sieger zum Verbündeten und Freund wandelte; es gab ein „Vorspiel“.

Mit der Blickrichtung auf Ursachen und Folgen des Bombenkrieges wird es den Betroffenen besser gelingen, ihre Erfahrungen in das historische Geschehen einzuordnen und so weiterzugeben, dass sie von Wert für die nachfolgende Generation sein können. Für die Enkel wiederum mag es eine überraschende Erkenntnis sein, dass es im Zweiten Weltkrieg auch deutsche Opfer gegeben hat und die Alliierten durchaus nicht immer nach den Regeln einer „ritterlichen“ Kriegführung gehandelt haben. Diese relativierende Sicht verändert keineswegs die Konstanten von Kriegsursachen und Verantwortlichkeiten. Aber sie macht erkennbar, dass Deutschland nicht verschont geblieben ist, dass die Deutschen zugleich Täter und Opfer waren. Dominierte früher die Täterrolle, so sehen sich die Deutschen zunehmend auch in der Rolle von Opfern. Die immer noch deutlich sichtbaren Spuren des Krieges in den großen Städten erklären, warum viele Soldaten nach dem Heimaturlaub in gewisser Weise erleichtert wieder an die Front zurückkehrten. Die Opferperspektive sollte heute den Blick dafür öffnen, dass der Bombenkrieg kein isoliertes Ereignis, sondern gemeinsames Schicksal vieler europäischer und asiatischer Völker gewesen ist, das nicht erst 1939 begann und 1945 längst nicht beendet war.

Der Zweite Weltkrieg muss als der blutigste Krieg der Weltgeschichte bezeichnet werden — eine Orgie von Gewalt und Vernichtung, die von Deutschland ausging und durch den Bombenkrieg hierhin zurückkehrte. Die nationalsozialistischen Verbrechen haben zweifellos zur Eskalation dieses ersten totalen Krieges der Geschichte beigetragen. Mit dem alliierten Bombenkrieg haben sie nur mittelbar zu tun: Der Bombenhagel bot sich als ein geeignetes Mittel an, die Massenmörder und ihre Kriegsmaschinerie aufzuhalten. Wer von Bombenkrieg spricht, denkt an das Leiden der Zivilbevölkerung, obwohl die meisten Bomben auf die kämpfenden Armeen fielen. Überall in Europa, wo Zivilisten in die Kampfzone gerieten bzw. im Hinterland einer umkämpften Front lebten, konnten sie diesem militärischen Luftkrieg zum Opfer fallen, wie die französischen Eisenbahner und ihre Familien, die im Bombenhagel der Alliierten starben, von denen sie sich eigentlich ihre Befreiung erhofft hatten.

Mit dem Begriff „Bombenkrieg“ wird die Optik in der Regel auf den strategischen Einsatz von Bomberflotten gegen Städte und Fabrikanlagen eingeengt, insbesondere auf systematische Flächenangriffe gegen die Zivilbevölkerung. Solche Angriffe trafen unterschiedslos glühende Nationalsozialisten, bloße Mitläufer und Oppositionelle, Nazischergen und KZ-Häftlinge, Soldaten und Zivilisten, Kriegsgefangene und ausländische Zwangsarbeiter. Die Zahl der Getöteten lag bei insgesamt 635.000, davon 570.000 deutsche Zivilisten — nüchtern betrachtet rund ein Zehntel der deutschen Kriegsopfer und etwa gleich viele Menschenleben, wie bei Flucht und Vertreibung zu beklagen waren.

Die meisten starben in den letzten zwei Kriegsjahren, nachdem Goebbels den „Totalen Krieg“ verkündet hatte und der alliierte Sieg nicht mehr fraglich war. Dennoch kann sich eine Geschichte des Bombenkrieges in Deutschland nicht auf die letzte Phase des Krieges und die spektakulären Großangriffe von Fernbombern beschränken. Das Inferno von Dresden war Höhepunkt einer Entwicklung, die bereits im Ersten Weltkrieg begonnen hatte und noch heute auf ihr eigentliches Ziel zusteuert: durch den Einsatz von Kampfflugzeugen Kriege zu entscheiden und verlustreiche Bodenkämpfe zu verhindern. Es ist die Geschichte einer militärischen Revolution, die nur verständlich wird, wenn man die Anfänge mit bedenkt und sie im Kontext der allgemeinen Militärgeschichte betrachtet.

Die vielfältige Erinnerungsliteratur und die zahllosen ausschnittsweisen Darstellungen des Bombenkrieges für die Geschichte einzelner Städte und Regionen verengen meist den Blick und führen leicht zu einseitigen politischen Urteilen und zur Emotionalisierung. Die Fachliteratur der historischen Forschung erreicht meist nicht das große Publikum. Was selbst in einer sorgfältig angelegten Fernsehserie nur skizziert werden kann und hauptsächlich durch Bilder und Gesichter veranschaulicht wird, soll in diesem Buch ausführlich betrachtet und erörtert werden; es nutzt die Chance, die Erinnerung an den Bombenkrieg mit den Ergebnissen der historischen Forschung zu vernetzen.

©Ch. Links Verlag©

Literaturangabe: MÜLLER, ROLF-DIETER: Der Bombenkrieg. 1939–1945. Ch. Links Verlag, Berlin 2004. 272 S., 24,90 €.

Weblink:

Ch. Links Verlag


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