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Der Dicke soll’s richten

Jorge Bucay stellt seinen Protagonisten auf eine harte Probe

© Die Berliner Literaturkritik, 17.08.10

ZÜRICH (BLK) – Im August 2009 ist das Buch „Zähl auf mich“ des Autors Jorge Bucay im Ammann Verlag erschienen.

Klappentext: Fast zwanzig Jahre sind vergangen. Demian, der sympathische Protagonist aus „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“, wird demnächst Vierzig. Schon seit langem hat er den Kontakt zum Dicken verloren, dem Therapeuten, der ihn gelehrt hat, das Leben anhand von Geschichten zu verstehen. Doch inzwischen steckt er wieder einmal in der Krise: Seine Ehe ist gescheitert, in seiner Familie geht es drunter und drüber, und auch beruflich sieht er sich neuen Herausforderungen gegenüber. Da tritt eine wichtige Frau in sein Leben, und diesmal will er’ s nicht vermasseln. Der einzige, der ihn auf den richtigen Weg bringen kann, ist der Dicke ...

Der 1949 in Buenos Aires, Argentinien, geborene Jorge Bucay ist als Autor der spanischsprachigen Welt seit Jahren ein Begriff. Seine Bücher wurden in achtzehn Sprachen übersetzt. 2006 wurde der Psycho- und Gestalttherapeut mit dem hochdotierten Premio Torrevieja ausgezeichnet. (ros)

Leseprobe:

©Ammann Verlag©

Fünfzehn Minuten lang drückte ich immer wieder auf die Klingel. Nicht nur, weil ich inzwischen nicht mehr vor verschlossenen Türen auf einen Termin wartete, ohne mich vorher irgendwie bemerkbar zu machen, „um bloß nicht zu stören“ (diese allererste Lektion des Dicken – da kannten wir uns noch kaum 20 Sekunden – war mir unvergesslich geblieben), sondern auch weil ich immer wieder glaubte, ein Geräusch zu hören, ein Türenschlagen oder ein paar Schritte, und ich nicht ausmachen konnte, ob sie aus seinem Apartment kamen oder vom Stockwerk darüber. Als schließlich das Telefon im Sprechzimmer klingelte, wartete ich gespannt ab. Ich lauerte, fast ohne zu atmen, das Ohr an die Tür gepresst, aber der Apparat klingelte noch mindestens fünf Minuten unbeirrt weiter, ohne dass jemand abnahm. Weder der Dicke noch seine Sekretärin würden das Telefon so lang ignorieren. Ich musste mich wohl damit abfinden, dass keiner von beiden in der Praxis war. Also schrieb ich meine Telefonnummer auf einen Zettel und bat Jorge, er möge sich bitte so bald wie möglich mit mir in Verbindung setzen. In den Satz „Es ist dringend“, der mir wie von selbst herausgerutscht war, fügte ich nachträglich ein NICHT ein und ergänzte: „Aber ich muss mit dir reden, Dicker.“ An den Schluss setzte ich: „Ganz im Sinne dessen, was du mir vor fünfzehn Jahren gesagt hast: Ich zähl auf dich!“ und unterzeichnete mit: „Demian“. Ich faltete das Blatt zusammen und versuchte es unter der Tür durchzuschieben, aber der Spalt war zu schmal. Als ich in die Hocke ging, um es durch den Schlitz zu drücken, bekam ich den ersten Hinweis darauf, was sich später bestätigen sollte, denn ein Haufen Briefe versperrte den Türspalt. Ich überlegte, dass der Dicke meines Wissens jeden Tag Sprechstunde hatte und daher unmöglich soviel Post einfach liegen bleiben konnte. Genauso wenig wie er zum selben Zeitpunkt Urlaub gemacht hätte wie seine Sekretärin.

©Ammann Verlag©

Literaturangabe:

BUCAY, JORGE: Zähl auf mich. Ammann Verlag, Zürich 2009. 352 S., 19,95 €.

Weblink:

Ammann Verlag


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