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Peter Hacks' Komödien

„Amphitryon“ und „Margarete von Aix“ – zwei Komödien von Peter Hacks in der kommentierten Werkeinzelausgabe

© Die Berliner Literaturkritik, 21.12.10

Von Stephanie Schick

Peter Hacks reiht sich in eine nicht enden wollende Genealogie derer ein, die den antiken Stoff des Amphitryon neu entdecken. Nach den Urhebern Sophokles und Plautus wurde der tragikomische Stoff fortan immer wieder aufgegriffen und umgestaltet, wie beispielsweise von Molière oder Heinrich von Kleist. Schließlich passt eine Verwechslungskomödie und Paraphrase über Göttliches und Menschliches in jedes Zeitalter.

Formal hält sich Hacks streng an die dramatische Formgestaltung: 5 Akte, fünfhebiger Jambus sowie Einheit von Zeit und Raum. Die lapidare Sprache, das Spöttische erweisen sich als sachdienliche Hinweise, diesen Amphitryon als modernes Stück der späten Sechziger Jahre zu enttarnen. Zuweilen kommen die Diskussionen der Protagonisten einer Verballhornung gleich. Sie reden munter aneinander vorbei, provozieren und schlagen sich. Die Götter geben ihre Überlegenheit offen zu und sagen völlig unverblümt: „Ich schaff Dich ab und mach was Besseres“. Man mag es ehrlich und unverstellt. Eine Überdosierung von Feuer, Luft, Erde und Wasser führe ohnehin zu „poetischen Blähungen“.

Sind sich Merkur und Jupiter wirklich darüber im Klaren, welch Verwirrung sie zwischen Amphitryon und Alkmene stiften, nur um diese zu verführen? Sie streiten sich beherzt unter Göttern und beißen sich an Sosias, dem Sklaven Amphitryons, die Zähne aus. Dieser bekommt scheinbar nichts von der göttlichen Rangelei mit. Dabei hält sich Sosias nur lieber heraus und erträgt alle merkwürdigen „Zeichen der Zeit“ (die Nacht zählt manchmal 24 Stunden, wenn Jupiter bei Alkmene weilt, nur um gleich nach dem Morgengrauen wieder zu nachten) stoisch. „Der Weisheit Krone ist die Seelenruhe“, lautet demgemäß Sosias´ Credo. Er weiß: „Der, der sich erst aufs Müssen einläßt, muß bald nur eins noch: sich in Stücke reißen.“ Und so kommt es, dass Sosias Philosophie treibt und dafür bestraft wird. Sein Herr, Amphitryon, versteht das Treiben der Götter hingegen nicht und kann sich auch nicht in aller Seelenruhe fügen. Er schimpft und findet, dass nur ein „Gott vermag, ein Mensch zu sein.“

Als Jupiter Alkmene und Amphitryon wieder ihrem Schicksal überlässt, fühlen sich beide recht orientierungslos. Ein letztes Mal schwingt sich Jupiter zu einem großen Epilog auf und mahnt sie zur gegenseitigen Nachsicht. Sosias, längst zum Hund verwandelt ohne sich darüber zu beklagen, darf indes mit zum Olymp. Er hatte Götterblut getrunken und sich somit unsterblich gemacht – aber geplant war das nicht!

Weniger bekannt als „Amphitryon“ ist das Drama um „Margarete von Aix“. Es wurde in der BRD selten aufgeführt und gehörte auch in der DDR nicht zum Standardrepertoire. Auch in dieser Komödie steht die für Hacks typische klassizistische Ästhetik im Mittelpunkt. Obwohl ihn revolutionäre Kunst über Klassengegensätze und Gesellschaftskämpfe weniger reizte, wusste Hacks, dass „man sich nicht mit der Vergangenheit beschäftigen kann, ohne Stellung zur Gegenwart zu nehmen“. Deshalb projiziert Hacks ein Konglomerat aus geschichtlicher Realität und Abstraktion auf die Gegenwart. Er erzählt die Geschichte Kontinentaleuropas neu, ohne exakte Verläufe zu berücksichtigen. Vielmehr thematisiert er die Grundkonflikte: Besitzansprüche und Rivalitäten. Wahlweise sind sich Franzosen, Engländer, Deutsche, Schweizer spinnefeind. Diese parabelhafte Geschichtsklitterei liest sich dann, wie folgt:

Margarete musste nach einem Komplott aus England zu ihrem kunstsüchtigen Vater in die Provence fliehen. Dieser erfreut sich am Leben seiner Tochter und versucht sie zunächst mit Musik, Schauspiel und opulenten Festen über den Thronverlust hinweg zu trösten. Margarete erzürnt sich über diese Trivialisierung und hält die Kunstmanie ihres Vaters für Verspottung. Sie fühlt sich düpiert. Schon beginnt sie hinter Vaters Rücken Intrigen zu spinnen. Sie versucht mächtige Männer auf ihre Seite zu ziehen und verspricht ihnen das väterliche Land, wenn sie nur wieder auf ihren Thron zurücksteigen könnte! Auf die Provence haben aber auch andere Herrscher unabhängig von Margaretes Animositäten ein Auge geworfen. Auf einmal wird viel gekämpft und die unterlegen Geglaubten tragen den Sieg davon. Margarete sieht ihre Felle davon schwimmen. Sie inszeniert ihren Selbstmord als letzte große Tat. Soll der Vater angesichts seiner toten Tochter sein schändliches Dasein und Fehlverhalten bereuen! Doch dieser letzte große Auftritt misslingt. Man feiert mal wieder ein rauschendes Fest und niemand verspürt große Lust, sich mit der Leiche Margaretens auseinander zu setzen. Vom Vater unbemerkt, verschwindet die Leiche hinter einem Vorhang und ist in ihrer Starre zur regungslosen Teilnahme verurteilt.

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So bleibt am Ende alles wie gehabt und die Kunst eine Tugend! Zu viel Tatendrang und Arglist führt eben oft in eine Sackgasse. Mit etwas mehr Diplomatie und Weltoffenheit wäre Margarete mitunter weiter gekommen. Oder sie hätte sich am besten in einer Villa hoch über St. Tropez ihren Alterssitz eingerichtet und der Weltpolitik abgeschworen.

Peter Hacks hat von seiner Hauptfigur wohl zuviel Weitsicht gefordert, was nicht jederman liegt. Er selbst war da anders und lässt seine persönliche Haltung dezent dramatisch durchklingen. Schließlich ist er als überzeugter Kommunist frühzeitig aus der BRD in die DDR umgezogen, wo er seinen bürgerlichen Habitus ohne Scheu ausleben konnte – nicht zuletzt auch in seinen Dramen.

Literaturangaben:

HACKS, PETER. Amphitryon. Kommentierte Werke in Einzelausgaben, Hrsg.: Klaus Rek, Aurora Verlag, Berlin 2010, 96 S., 7,95€.

HACKS, PETER. Margarete von Aix. Kommentierte Werke in Einzelausgaben, Hrsg.: Kai Köhler, Aurora Verlag, Berlin 2010, 96 S., 7,95€.


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