MÜNCHEN(BLK) – Das Taschenbuch „Der Mann, der starb wie ein Lachs“ von Mikael Niemi ist Anfang November 2009 im btb-Verlag erschienen.
Klappentext: Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt. Das Tornedal im nördlichen Schweden. Als die Gemeindeangestellte Rauha Jauhöjärvi auf der Türschwelle des alten Hauses steht, um nach Martin Udde zu sehen, ist ihr ganz seltsam zumute - ein eigenartiger Geruch liegt in der Luft, und keiner antwortet auf ihr Klopfen. Schließlich fasst sie sich ein Herz. Mit einem Zweitschlüssel verschafft sie sich Zugang, und ihre düstere Ahnung wird zur Gewissheit: der alte Mann liegt tot in seinem Bett - brutal ermordet, mit einer Fischgabel regelrecht aufgespießt. Ein seltener Ausbruch von Gewalt in einer der nördlichsten Regionen Schwedens, in denen offene Türen zur Tagesordnung gehören und Gastfreundlichkeit auch Fremden gegenüber die Regel ist. Hatte hier jemand eine alte Rechnung zu begleichen? Die junge Stockholmer Polizistin Therese Fossnes ist nicht gerade begeistert, als sie damit beauftragt wird, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Menschen dieses entlegenen Landstrichs kommen ihr seltsam vor, ihren Dialekt versteht sie nicht. Doch dann fühlt sie sich ausgerechnet zum kauzigen Eigenbrötler Esaias hingezogen, der als dringend tatverdächtig gilt. Und sie erkennt, dass hinter der ganzen Geschichte mehr steckt, als ihr lieb sein kann...
„Näsblod under högmässan“ (dt. „Nasenbluten bei der Hochmesse“) ist der viel versprechende Titel von Mikael Niemis erstem Buch, das er im Alter von 29 Jahren veröffentlichte. Nachdem er sich bereits als 15-Jähriger mit Lyrik und dem Schreiben von Kurzgeschichten befasste, studierte der 1959 in Pajala Geborene nach der Schule Elektrotechnik und arbeitete als Lehrer und Jugendbetreuer. 1994 folgte auf Niemis erste Veröffentlichung die Herausgabe seines ersten Jugendbuchs, das ins Dänische und Norwegische übersetzt wurde. 2000 erschien der Roman „Populärmusik aus Vittula“, mit dem Mikael Niemi der nationale und internationale Durchbruch gelang. Das Buch wurde allein in Schweden 800.000 Mal verkauft und in insgesamt 26 Sprachen übersetzt. Es wurde mit dem renommierten Augustpriset ausgezeichnet, in verschiedenen Bühnenfassungen aufgeführt und sogar von Reza Bragher verfilmt. (ros)
Leseprobe:
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Es roch nach offenem Mund. So beschrieb sie es im Nachhinein, es roch nach Mund, als hätte ein großes Tier direkt vor ihr sein Maul aufgerissen. Es fiel ihr schwer, sich etwas Schrecklicheres vorzustellen. Ein vibrierendes, wie mit einer Haut überzogenes Gefühl. Sie blieb zögernd in der Türöffnung stehen, stand dort sommerlich verschwitzt im grellen Licht der Eingangstreppe, den Schlüssel wie ein Taschenmesser in der Hand. Sie hatte mehrere Male geklingelt. Anschließend geklopft. Dann seine Telefonnummer in ihr Diensthandy getippt, ohne eine Antwort zu erhalten. Durch die geschlossene Tür hatte sie das schrille Klingeln gehört, immer und immer wieder, metallische Klingellaute eines alten Telefons aus den Siebzigern mit Drehscheibe. Vielleicht war er ausgegangen? Sie nahm den Schlüssel, auf dem die Codenummer des Alten vermerkt war. Später würde Rauha Jauhojärvi immer wieder zu diesem Moment zurückkommen, wie sie dort stand und zögerte. Wie sie krampfhaft die Türklinke in der Hand hielt und ins Dunkle starrte. Sie war kurz davor, umzukehren und zum nächsten alten Mann zu fahren. In ihren Holzschuhen klebten die Füße. Eine Stubenfliege surrte um ihren Nacken, angelockt von ihrem feuchten Menschengeruch. An so einem Tag sollte man im Fluss baden, dachte sie. Im Gras liegen und sich von der Sonne bescheinen lassen. Rauha Jauhojärvi zögerte, den Schlüssel in der Hand. Sie konnte immer noch weiterfahren und das Büro benachrichtigen. Die Sonne, das Licht. Die Stubenfliege, die angeschwollenen Füße. Die Hummel, die ihren Blattrüssel das Regenrohr entlangtastete. So ein Augenblick war das. Ganz leicht. Aber sobald sie ihren Fuß auf die Türschwelle gesetzt hatte, war er vorbei. Um zu lüften, ließ sie die Tür weit offen stehen. Die Fliege nahm Anlauf und flog sofort hinein. Rauha ging in den Flur und rief den Namen des Alten. Niemand antwortete. Sie spürte, wie der Raubtiergeruch stärker wurde, und unterdrückte den Drang, sich zu übergeben. Talgknödel, dachte sie. Der Alte kocht Talgknödel. Es lag etwas Verbranntes in der Luft, wie von einem Kohlegrill. Da entdeckte sie die Flecken. Etwas Teerartiges, das auf den Eichenboden getropft war. Sie bog nach links ab, kam in die Küche. Die Herdplatte war eingeschaltet. Sie zuckte zusammen. Direkt auf der Herdplatte lag etwas Verkohltes, Verschmortes. War das eine Art Muskelfleisch? Ein Fisch? Die Hitze hatte den Klumpen verbrannt und geschmolzen, bis nur noch eine verdrehte Rußwurst übriggeblieben war. Sie rauchte schon lange nicht mehr, aber der fette Bratenqualm hatte sich in den Wänden festgesetzt. Voller Ekel schaltete sie die Platte aus. Alzheimer, dachte sie. Der Alte hat Hunger gehabt und sich etwas kochen wollen. Ohne Bratpfanne. Sie hatte im Laufe der Jahre schon Schlimmeres gesehen, nur ein Glück, dass das Haus nicht Feuer gefangen hatte.
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Literaturangabe:
NIEMI, MIKAEL: Der Mann, der starb wie ein Lachs. btb-Verlag, München 2009. 352 S., 9,95 €.
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