MÜNCHEN (BLK) – September 2008 erscheint Naomi Wolfs Staatsanalyse „Wie zerstört man eine Demokratie“ bei Riemann.
Amerikaner und Europäer neigen dazu, die freiheitliche Demokratie, in der sie leben, als unsterblich zu betrachten. Eine pure Selbstverständlichkeit, für deren Bewahrung man sich nicht einsetzen muss. Die Geschichte, sagt die US–Amerikanerin Naomi Wolf, spricht allerdings eine andere Sprache. Nicht die Demokratie, sondern die Tyrannei ist unsterblich und findet nach Zeiten des Rückzugs immer wieder Wege zurück auf die Bühne der Geschichte. Naomi Wolf zieht historische Vergleiche heran: Wie haben Hitler, Mussolini und Pinochet ihre Schreckensherrschaft etabliert? Meist geschah dies nicht mit einem „großen Knall“, sondern auf geordnete Weise, gemäß den Regeln von Demokratien, die dem gefährlichen Flirt mit der Selbstzerstörung nicht widerstehen konnten. Faschismus, sagt die Autorin, offenbart sich in seiner Anfangsphase selten durch Massenerschießungen oder die rauchenden Schlote von Vernichtungslagern. Manchmal ist er zunächst nur daran zu erkennen, dass wir beginnen, unsere Worte abzuwägen. Das Porträt der präfaschistischen Phase, in die die USA heute eingetreten ist, ist erschreckend lebensnah. Das Buch gibt aber auch Anhaltspunkte dafür, wie wir neuere politische Entwicklungen in Europa richtig einschätzen können. Das fundierte Wissen einer Tochter von Holocaust-Überlebenden über das Dritte Reich machen dieses Buch gerade für deutsche Leser zu einer hochinteressanten Lektüre.
Naomi Wolf ist die Tochter jüdischer Holocaust-Überlebender. Sie wurde in den 90er-Jahren durch ihren Bestseller „Mythos Schönheit“ bekannt und galt damals als Vorreiterin eines neuen Feminismus. 1996 engagierte sie Bill Clinton als Beraterin für seinen Wahlkampf. Vier Jahre später beriet sie auch den Präsidentschaftskandidaten Al Gore. Heute arbeitet Naomi Wolf in der „Soros Foundation“ für Friedensforschung. (vol)
Leseprobe:
© Riemann ©
„Genau wie die Nacht nicht plötzlich hereinbricht, kommt auch die Unterdrückung nicht schlagartig. In beiden Fällen gibt es eine Zeit des Zwielichts, in der alles scheinbar unverändert ist. Und in dem Zwielicht müssen wir alle mit höchster Aufmerksamkeit auf Veränderungen achten, so klein sie auch sein mögen, damit wir nicht zu ahnungslosen Opfern der Dunkelheit werden.“
Richter William O. Douglas
Vorwort
„Wir haben mit Freiheit begonnen.“
Ralph Waldo Emerson
Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich die Parallelen zwischen Ereignissen in der Vergangenheit und den heute wirkenden Kräften nicht länger ignorieren kann.
Eine gute Freundin, die Tochter von Holocaust-Überlebenden ist und ihren Studenten das amerikanische Regierungssystem als eine Art persönliche Antwort auf das vermittelt, was ihrer Familie widerfahren ist, drängte mich, mit meinen Gedanken an die Öffentlichkeit zu gehen, als ich ihr von diesen Themen erzählte.
Mit dafür verantwortlich, dass ich das Buch so geschrieben habe, wie ich es tat, ist die Hochzeit von Christopher Le und Jennifer Gandin, zu der ich mitten während meiner Recherchen eingeladen wurde.
Jennifer ist eine unserer Graduate-Studentinnen, eine begabte junge Autorin. Ihr Vater ist Pfarrer in Texas, und ihre Wurzeln im amerikanischen Herzland reichen viele Generationen zurück.
Chris, der „junge Patriot“, an den ich meinen warnenden Brief richte, ist ein geborener Aktivist, ein Naturtalent als Graswurzelpolitiker und Lehrer. Er sitzt im Vorstand der National Suicide Prevention Lifeline und engagiert sich auf vielen Gebieten. Jennifer und Chris sind typisch für jene Sorte idealistischer junger Menschen – idealistischer junger Amerikaner –, die unsere Nation aus dieser Krise führen werden.
Chris und Jennifer haben an einem warmen Tag im Frühherbst geheiratet. Es war eine Szene wie aus dem Bilderbuch-Amerika, das Beste, was diese Nation uns an Freiheit, Großzügigkeit und Schutz zu bieten hat.
Die Feier fand auf einem grünen Hügel über dem Tal des Hudson River statt. Jennifers Familie hatte die Aufbauten und Tische mit wehendem weißem Chiffon dekoriert, Chris’ Mutter und seine weiblichen Verwandten hatten tagelang am Herd gestanden und wunderbare vietnamesische Gerichte gezaubert. Zur Zeremonie erschien Jennifer in einem strahlend weißen ao dai, dem traditionellen vietnamesischen Hochzeitskleid, und zum Tanz wechselte sie in ein gleichermaßen strahlendes, purpurrotes amerikanisches Ballkleid. Kinder tollten umher, Bäume rauschten im Wind, die Sonne sprenkelte die Szene mit warmem Licht, Trinksprüche wurden ausgebracht und Geschenke verteilt, ein großartiger DJ legte auf, und schlechte Witze wurden gerissen. Freunde unterschiedlichster ethnischer Abstammung und sozialer Herkunft tanzten und plauderten und waren vereint in ihrer Zuneigung zu dem jungen Brautpaar. Diese Szene enthielt alles, was Amerika sein sollte.
Noch unter dem Eindruck dessen, was ich gelesen hatte, gelang es mir nicht, die Sturmwolken zu ignorieren, die sich über der Nation insgesamt auftürmten. Und mich überkam das Gefühl, dass Jennifer und Chris noch ein Geschenk benötigten: die Instrumente, um sich ihrer Freiheit bewusst zu werden und sie zu verteidigen, die Mittel, um sicherzustellen, dass auch ihre Kinder in Freiheit geboren werden.
Das war kein akademischer Gedanke. Chris’ Mutter Le Mai, die die Gäste mit Witz und Stil begrüßte, ist eine Heldin. Sie floh als junge Frau auf einem Boot aus Vietnam, in den Armen ihren nicht einmal zwei Monate alten Sohn Vu (Chris’ Geburtsname). Sie wusste, wollte sie in Freiheit leben, dann musste sie ihr Leben und das ihres Kindes aufs Spiel setzen. Wir, die wir bis vor kurzem von einem Übermaß an Freiheit verwöhnt waren, verstehen nicht annähernd so gut wie sie, wie wertvoll die Freiheit ist. Aber wir müssen uns dieses Verständnis erwerben, und zwar schnell, wollen wir die Krise meistern, vor der wir stehen, und so schnell reagieren, wie es die Lage verlangt.
Chris und ich haben über Freiheit gesprochen und über seine Überzeugung, dass das Pendel auch „zurückschwingen“ kann. Dass viele seiner Altersgenossen so wenig für die Demokratie empfinden, liegt seiner Meinung nach daran, dass die vorangegangenen Generationen es versäumt haben, sie mit Leben zu erfüllen.
Nicht nur unsere Jugend fühlt sich der Demokratie entfremdet just zu einer Zeit, als Freiheitsrechte der amerikanischen Nation abgebaut werden. Bei meinen Reisen durch das Land habe ich mit Bürgern unterschiedlichster Herkunft und mit unterschiedlichstem Hintergrund gesprochen, die nichts mit der Vorstellung der Gründerväter anfangen können, dass sie es sind, die die Führung übernehmen müssen, dass sie es sind, die eine Entscheidung zu treffen und eine Grenze zu ziehen haben.
Auf diese Menschen kommt es an, und für sie habe ich dieses Buch geschrieben.
Diese Bürger brauchen die Schlüssel für das Verständnis des radikalen Vermächtnisses der amerikanischen Gründerväter.
Sie müssen verstehen, wie Despoten vorgehen. Sie benötigen einen Leitfaden, der ihnen und den Menschen in ihrem Umfeld zeigt, wie sie sich am besten für den vor uns liegenden Kampf rüsten können.
Damit sie ihn gut kämpfen können.
Damit unsere Kinder weiter in Freiheit leben können.
Damit wir alle das können.
Naomi Wolf
Einführung: zehn Schritte
„Amerika wurde gegründet, nachdem sich
das feudale Übel erschöpft hatte. Wir hatten
einen guten Anfang. Keine Inquisitionen,
keine Könige, keine Adeligen …“
Ralph Waldo Emerson
Lieber Chris, ich schreibe dir, weil wir uns im Notstand befinden. Das hier sind Meldungen, die in einem Zeitraum von zwei Wochen im Sommer 2006 in amerikanischen Zeitungen zu lesen waren:
22. Juli: „CIA-Mitarbeiterin wegen Meldung über Folter gefeuert.“ Christine Axsmith, die als Computersicherheitsexpertin für die CIA tätig war, wurde nach eigenem Bekunden gekündigt, nachdem sie in einem Blogspot auf einem streng geheimen Computernetzwerk eine Nachricht eingestellt hatte, in der sie waterboarding kritisierte: „Die ‚Wasserkur’ ist Folter, und Folter ist Unrecht.“ Daraufhin verlor sie nicht nur ihre Arbeit, sondern auch die Top-secret-Freigabe, die sie seit 1993 hatte. Sie fürchtet, dass ihre Geheimdienstlaufbahn damit zu Ende ist.
28. Juli: „Gesetzentwurf setzt Anspruch feindlicher Kombattanten auf rechtmäßiges Verfahren außer Kraft.“ Die Bush-Regierung arbeitete an einem geheimen Gesetzentwurf, der „Verfahren für die Anklageerhebung gegen Personen ausführlich beschrieb, die im Krieg gegen den Terror festgenommen werden, welche in mehreren Einzelheiten stark von regulären Gerichtsprozeduren abweichen … Eine zügige Verfahrenseröffnung ist nicht erforderlich … Indirekte Beweise sind zulässig … der [Militär-]Anwalt kann die Anhörungen beenden [und] darüber hinaus den ‚Ausschluss des Angeklagten’ und seines zivilen Rechtsvertreters anordnen“. Personen, die als „feindliche Kombattanten“ definiert werden, und „Personen, die sich der ungesetzlichen Kriegführung schuldig gemacht haben“, können „bis zur Beendigung der Feindseligkeiten“ in Haft gehalten werden, unabhängig davon, wann sie enden und zu welcher Haftstrafe diese Personen verurteilt wurden.
29. Juli: „Gericht unter Belagerung.“ Im Juni 2006 hatte der Supreme Court geurteilt, dass die Verweigerung rechtlicher Garantien gegenüber Häftlingen in Guantánamo gegen die Genfer Konventionen und amerikanisches Recht verstößt. Weiter betonte der Oberste Gerichtshof, dass jeder Häftling das Recht habe, bei seiner eigenen Verhandlung anwesend zu sein. Als Antwort auf das Urteil legte das Weiße Haus ein Gesetz vor, mit dem „dieses Recht schlicht aufgehoben“ wird. Die New York Times warnte in einem Leitartikel: „Beängstigend ist vor allem, dass wir mit ansehen müssen, wie die Regierung die Diskussion über die Gefangenen von Guantánamo Bay und Inlandsspionage dazu missbraucht, eine neuerliche Kampagne gegen die Gerichte zu inszenieren.“
31. Juli: „Mit dem Stift ausgerutscht.“ Amerikanische Anwälte äußerten sich in einer Erklärung alarmiert über die Vielzahl von „Exekutivbefehlen“, die der Präsident unterzeichnete. Dies sei eine Ausübung der Exekutivgewalt, die die Verfassung aushöhle. „Die Gefahr für unsere Republik, die von den präsidialen Exekutivbefehlen ausgeht, ist ebenso akut wie real und verlangt nach sofortigen Gegenmaßnahmen.“
2. August: „Blogger wegen Missachtung von Gerichtsanordnung verhaftet.“ Der Freelance-Blogger Josh Wolf, 24 Jahre alt, wurde verhaftet, nachdem er sich geweigert hatte, Ermittlern das Video einer Protestaktion in San Francisco auszuhändigen. Jane Kirtley, Professorin für Medienethik und Medienrecht an der University of Minnesota, sagte, es komme zwar immer häufiger vor, dass amerikanische Journalisten verhaftet würden, doch Mr. Wolf sei ihres Wissens der erste von den Bundesbehörden verhaftete amerikanische Blogger.
2. August: „Regierung darf Telefonaufzeichnungen von Journalisten einsehen.“ Die New York Times berichtet: „Ein Bundesstaatsanwalt darf die Telefonaufzeichnungen von zwei Journalisten der New York Times einsehen, um Aufschluss über die Identität ihrer vertraulichen Quellen zu erlangen …“ Ein dem Urteil widersprechender Richter spekulierte, in Zukunft müssten sich Journalisten mit ihren Quellen womöglich wie Drogendealer „in dunklen Seitengassen“ treffen.
3. August: „Das manipulierte Wahlrecht.“ In Alabama entzog ein Bundesrichter einer der Demokratischen Partei angehörenden Staatssekretärin die Zuständigkeit über den Wahlprozess und übertrug sie auf den republikanischen Gouverneur. „Parteipolitik scheint hier eindeutig eine Hauptrolle gespielt zu haben“, kommentierte die New York Times den Vorgang. „Die Anordnung des Justizministeriums, Ms. Worleys Zuständigkeit in der Sache auf Gouverneur Riley zu übertragen, ist höchst ungewöhnlich.“ Als Worley in einem Gericht unter Vorsitz eines Richters, der sich eindeutig auf der Linie der Bush-Regierung befand, gegen die Anordnung klagte, wurde der von ihr ausgewählte Anwalt nicht zugelassen. Es handelte sich um „ein einseitiges Verfahren, das stark an ein Femegericht erinnerte …“, hieß es in der New York Times weiter. Worley verlor den Prozess.
Warum schreibe ich dir diesen Warnbrief gerade jetzt, 2007? Schließlich hatten wir doch kürzlich eine Kongresswahl, in der die Wähler die Kontrolle über Repräsentantenhaus und Senat zurück in die Hände der Demokraten legten. Jetzt gehen die neuen Führer an die Arbeit, und alle Amerikaner, die sich über die Erosion der bürgerlichen Freiheiten Sorgen gemacht haben, über die Zerstörung unseres Systems der checks and balances, der Gewaltenteilung und gegenseitigen Kontrolle, können sich wieder zurücklehnen und entspannen: Seht her, das System korrigiert sich selbst. Der Glaube ist verlockend, die grundlegende Maschinerie der Demokratie funktioniere nach wie vor reibungslos und wir hätten alle Gefahren überwunden bzw. würden sie schlimmstenfalls bei den kommenden Präsidentschaftswahlen überwinden.
Aber die Gefahren sind nicht vorüber, sie verändern sich nur. Und in mancherlei Hinsicht haben sie sogar rapide zugenommen. Das große Bild zeigt, dass die Regierung Bush zehn klassische Taktiken eingeleitet hat – Taktiken, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten in der Vergangenheit zur Unterdrückung pluralistischer Gesellschaften benutzt wurden –, um unserer offenen Gesellschaft die Luft abzuschnüren. Diese Taktiken wurden noch nie zuvor in der Geschichte unserer Nation in dieser Form eingesetzt.
Wir dürfen uns keine Atempause gönnen, uns jetzt nicht einfach zurücklehnen. Die Gesetze, die diese Taktiken antreiben, sind immer noch in Kraft. Die Leute, die ein persönliches Interesse an einer weniger offenen Gesellschaft haben, mögen sich im Moment in einer Phase der politischen Umgruppierung befinden, aber ihre Ressourcen sind immer noch so gewaltig wie zuvor, ihr strategisches Denken ist immer noch das gleiche, und ihre aktuelle Strategie lautet, sich nun so neu zu gruppieren, dass ihre Mehrheit das nächste Mal von Dauer sein wird.
Uns allen – Republikanern, Demokraten, Unabhängigen, amerikanischen Bürgern – bleibt nicht viel Zeit, die Gesetze aufzuheben und jene Kräfte zurückdrängen, die durchaus das Ende des amerikanischen Systems bewirken könnten, das wir von den Gründervätern geerbt haben – ein System, das seit über 200 Jahren unsere Freiheit schützt.
Ich habe diesen Warnbrief verfasst, weil es so aussieht, als würde unser Land – die Demokratie, die zu erben unsere jungen Patrioten hoffen – ein für alle Mal verändert werden. Die Geschichte kann uns viel darüber lehren, was sich hier gerade abspielt: was seit 2001 passiert ist und was sich daraus noch lange nach 2008 entfalten könnte. Aber immer weniger von uns interessieren sich für die Geschichte von den Anfängen bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts oder dafür, wie die Gründerväter unsere Freiheiten einrichteten, um uns vor den verschiedenen Formen der Tyrannei zu schützen, die sie vorausahnten. Schüler, Studenten, frischgebackene Universitäts- absolventen, engagierte Menschen aus sämtlichen Schichten: Sie alle spüren, dass sich seit einiger Zeit in diesem Land etwas Großes und Schwerwiegendes abspielt. Aber da ihnen eine Einführung darin fehlt, um welche Themen es hier geht und wie man die Einzelstücke zu einem Ganzen zusammensetzt, tun sie sich schwer, zu erkennen, wie gefährlich die Situation ist, geschweige denn, was sie tun könnten.
Wir Amerikaner gehen ebenso selbstverständlich davon aus, dass wir in Freiheit leben, wie davon, dass wir Luft zum Atmen haben; und so ist unser Verständnis für die Schmiedeöfen der Repression, die den Gründervätern noch in bester Erinnerung waren, nur ein sehr begrenztes. Kaum einer von uns nimmt sich Zeit, darüber nachzudenken, wie das von ihnen installierte „System“ unsere Freiheiten schützt. Noch weniger denken wir darüber nach, wie die Diktatoren der Vergangenheit Demokratien zerstört und demokratische Aufstände unterdrückt haben. Wir Amerikaner nehmen unsere Freiheiten ebenso als selbstverständlich wie unsere natürlichen Ressourcen, als würden beide sich auf magische Weise immer wieder von selbst erneuern. Allzu lange haben wir nicht erkannt, wie anfällig beide Ressourcen sind. Wir erkennen es erst jetzt langsam, sozusagen fünf vor zwölf, da beide Systeme dabei sind, in sich zusammenzubrechen. Ganz allmählich begreifen wir, dass wir genau wie zu unserer natürlichen Umwelt auch zu unserer Freiheit eine Beziehung haben müssen, soll sie uns auf Dauer stützen und schützen.
Die wenigsten von uns haben mehr als eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich Gesellschaften öffnen oder schließen, wie es dazu kommt, dass sie die Freiheit fördern oder von Angst regiert werden. Warum? Weil dies nicht die Art Geschichte ist, die wir nach unserer eigenen Einschätzung bzw. nach Einschätzung unseres Bildungssystems kennen sollten. Ein weiterer Grund für unser Unwissen darüber, wie Freiheit lebt und stirbt, liegt in der wachsenden Neigung der Amerikaner, die Aufgaben des Patrioten sozusagen auszulagern, die Interpretation unserer Verfassung und den Schutz unserer Rechte vermeintlichen Profis – Anwälten, Wissenschaftlern, Politikern – zu überlassen. „Sie“ sollen, meinen wir, unsere Rechte für uns wahrnehmen, ungefähr so, wie wir einen Steuerberater beauftragen, unsere Steuererklärung zu machen. „Sie“ sollen die Regierung führen, Politik gestalten und dafür sorgen, dass die Demokratie funktioniert und läuft. Wir haben zu tun.
© Riemann ©
Literaturangaben:
WOLF, NAOMI: Wie zerstört man eine Demokratie. Das 10-Punkte-Programm. Aus dem Amerikanischen von Thomas Pfeiffer. Riemann, München 2008. 288 S., 16 €.
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