Von Heinz-Peter Dietrich
Unermüdlich versucht der Schweizer Menschenrechtler Jean Ziegler den Westen wachzurütteln und ihm seine eigenen Fehler im Umgang mit den Benachteiligten dieser Welt vor Augen zu führen. Sein jüngstes Buch „Der Hass auf den Westen“ sei ein weiterer Versuch, „damit man endlich begreift, wo Ursachen und Wurzeln etwa des Terrorismus liegen“, sagte Ziegler der Deutschen-Presse-Agentur dpa. Der Genfer Soziologe und Publizist hat nach eigenen Angaben auch mit 75 Jahren nicht vor, als Mahner nachzulassen. „Noch immer dringt die schreiende Ungerechtigkeit auf dieser Welt, für die der Westen vielfach schuldig ist, nicht in die richtigen Ohren“, sagt Ziegler.
Zieglers Schlüsselerlebnis für das jüngste Werk sind seine vielen Begegnungen mit jungen Intellektuellen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Es sei das „verwundete Gedächtnis“, das – lange verschüttet - plötzlich „wieder aufersteht und zu Bewusstsein“ werde. Wie der Holocaust noch in den 70er- und 80er Jahren zum Teil totgeschwiegen wurde, so sei es auch mit den Leiden der unterdrückten Völker. In seinem Buch zeige er nun, „wie das neue Bewusstsein in rationalem Hass“ umschlage. Dazu unterscheidet Ziegler zwischen „der organisierten Kriminalität“ der Terrorgruppe El Kaida und dem, was nun unter den Völkern des Südens aufbreche: „Eine Rationalisierung des Bewusstseins für die erduldeten Ungerechtigkeiten.“
Wie es Zieglers Art ist, scheut er auch vor Polemik nicht zurück. Er geißelt die Doppelzüngigkeit des Westens, wenn es um die Forderung nach Menschenrechten gehe. Ein „westlicher Rassismus“ werde als Ursache für das Leiden vieler Völker angesehen. Ziegler spricht von Schrecken einer „weißen Herrschaft“, die nur über zwölf Prozent der Weltbevölkerung stelle aber mit verantwortlich dafür sei, dass mehr als eine Milliarde Menschen Hungern müssten.
Mit viel Sympathie registriert der Publizist, der Berater des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen ist, was sich derzeit in Bolivien tut. Dort werde mit dem ersten Präsidenten indianischer Herkunft, Evo Morales, gezeigt, dass „der Hass eine Kraft von beachtlicher Effizienz werden kann“, was zu starken Veränderungen führe. „Für die Völker des Südens schlägt die Stunde der Unabhängigkeit, der Souveränität, des Nationalstaats.“
Dagegen sieht er den von ihm durchaus geschätzten US-Präsidenten Barack Obama in der Falle der Strukturen der „riesigen Militärmacht“ USA, die unheilige Allianzen zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensfähigkeit weltweit eingehen müsse.
Ziegler knüpft mit seinem jüngsten Werk an sein 2005 erschienenes und gerade überarbeitetes Buch „Das Imperium der Schande“ an. „Es darf nicht so weitergehen, der Westen muss aus diesen Fehlern lernen, oder er geht unter.“
Literaturangabe:
ZIEGLER, JEAN: Der Hass auf den Westen. Bertelsmann Verlag, München 2009 320 S., 19,95 €.
Weblink: