FRANKFURT/MAIN (BLK) – Der Philosoph Slavo Žižek hat im Juni 2009 in der Reihe Edition Suhrkamp des Suhrkamp Verlages sein Buch „Auf verlorenem Posten“ veröffentlicht. Es wurde von Frank Born aus dem Englischen übersetzt.
Klappentext: Der Kapitalismus, so Slavoj Žižek, gleiche einer Comicfigur, die stolz über den Dachfirst hinaus ins Leere läuft – um dann jäh abzustürzen. In seinem neuen, kämpferischen Buch setzt sich Žižek mit den Perspektiven der Linken auseinander: Er entlarvt die Widersprüche des Neoliberalismus, diskutiert die Positionen von Alain Badiou und Antonio Negri und erklärt, warum wir angesichts von Wirtschaftskrise, Biotechnologie und Umweltkollaps der Diktatur des Proletariats eine neue Chance geben sollten. Dabei erweist er sich wieder einmal als das externe Hirn seiner Leser: Er sieht die Filme, registriert die Nachrichten und macht sich darüber die Gedanken, für die wir keine Zeit haben.
Geboren wurde Slavo Žižek 1949 in Ljubljana, dem damaligen Jugoslawien und heutigen Slowenien. Er studierte Philosophie und Psychoanalyse in Paris und lehrt Philosophie u.a. an der Universität Ljubljana und der European Graduate School. Seit dem Jahr 2007 ist Žižek International Director des Birkbeck Institute for the Humanities an der University of London. (kum)
Leseprobe:
©Suhrkamp Verlag©
Vorrede: Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce
Marx eröffnet seinen Achtzehnten Brumaire mit einer Korrektur der Hegelschen Idee, nach der sich Geschichte notwendig wiederhole: Hegel habe vergessen hinzuzufügen, daß sie sich zunächst als Tragödie und dann als Farce ereigne. Gilt das nicht auch für die zwei Ereignisse, die den Anfang und das Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts kennzeichnen, die Terroranschläge des 11. September und die Finanzkrise von 2008?
Die Ähnlichkeiten der Sprache, in der Präsident George W. Bush nach dem 11. September und nach der Finanzkrise seine Ansprachen an das amerikanische Volk hielt, sind nicht zu übersehen: Sie klingen wie zwei Versionen derselben Rede. Beide Male beschwor er die Bedrohung des American way of life und die Notwendigkeit schnellen und entschiedenen Eingreifens, um der Gefahr Herr zu werden. Beide Male forderte er die teilweise Aufhebung US-amerikanischer Werte, um genau diese Werte zu schützen. Woher aber rührt diese Ähnlichkeit?
Am 11. September wurden die Twin Towers getroffen; zwölf Jahre früher, am 9. November 1989, fiel die Berliner Mauer. Der 9. November kündigte die „fröhlichen Neunziger“ an, die trügerische Realisierung der Utopie, die Francis Fukuyama mit seiner Formulierung vom „Ende der Geschichte“ entworfen hatte: Die liberale Demokratie habe im Prinzip gewonnen, die Suche sei vorüber, die Ankunft einer globalen liberalen Weltgemeinschaft stehe vor der Tür, auf dem Weg zu diesem überzeichneten Hollywood-Happy-End gebe es nur noch letzte empirische und letztlich kontingente Hindernisse (nämlich einige lokale Widerstandsnester, deren Anführer nur noch nicht begriffen hätten, daß ihre Zeit vorüber sei). Der 11. September dagegen markiert das Ende der fröhlichen Neunziger, der Clinton-Jahre, er kündigt eine Ära an, in der überall neue Mauern auftauchen – zwischen Israel und dem Westjordanland, um die Europäische Union herum, an der Grenze zwischen den USA und Mexiko.
Es hat jedoch den Eindruck, als müsse Fukuyamas Vision zweimal sterben: Der Zusammenbruch der liberal-demokratischen politischen Utopie am 11. September stellte die ökonomische des globalen Marktkapitalismus nicht infrage. Doch wenn die Finanzkrise von 2008 einen historischen Sinn hat, dann jenen, daß sie nun auch das Ende der ökonomischen Aspekte von Fukuyamas Entwurf einläutet.
©Suhrkamp Verlag©
Literaturangabe:
ŽIŽEK, SLAVO: Auf verlorenem Posten. Aus dem Englischen übersetzt von Frank Born. (es 2562) Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2009. 319 S., 14 €.
Weblink: