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Im Portrait: Samuel Beckett

Zum 105. Geburtstag von Samuel Beckett

© Die Berliner Literaturkritik, 12.04.11

Von Dominik Rose

Es mag eine seltsame Ironie darin liegen, dass ein öffentlichkeitsscheuer Pessimist und notorischer Zweifler wie Samuel Beckett zu Weltruhm gelang, und das ausgerechnet durch ein minimalistisches Theaterstück, in dem über zwei lange Akte nicht viel mehr geschieht, als dass zwei Landstreicher auf einen gewissen Godot warten, der nie erscheint.

Auch das Geburtsdatum Becketts, der am 13. April 1906, einem Karfreitag, im irischen Foxrock geboren wurde, wurde von vielen Literaturfreunden – und auch vom Autor selbst – als eine ironische Pointe des Schicksals gedeutet. Die Karfreitags-Symbolik ist tatsächlich eine schöne Anekdote, hat sich Beckett doch in seinem Werk immer wieder mit christlichen Motiven auseinandergesetzt und das Leben vor allem als schmerzvollen Leidensweg begriffen, an dessen Ende der Tod als Erlösung steht. Ein religiöser Mensch war er dennoch nicht, trotz seiner protestantisch strengen Erziehung, die ihm speziell seine als herrschsüchtig beschriebene Mutter angedeihen ließ. Der miefigen Enge des Elternhauses entkommt der angehende Künstler, als er am Dubliner Trinity College ein romanistisches Studium aufnimmt, sich mit zeitgenössischen Autoren beschäftigt und von seinem Professor gefördert wird.

Einen entscheidenden Einschnitt bedeutet für Beckett seine Reise nach Paris, wo er im Herbst 1928 eine Stelle als Englischlektor an der Ecole Normale Supérieure antritt. Er knüpft Kontakte zu Vertretern der künstlerischen Avantgarde und freundet sich mit James Joyce an, seinem berühmten Landsmann. Mit Joyce verbindet ihn die künstlerische Kompromisslosigkeit und die Überzeugung, dass die Literatur kein sicheres Terrain darstellt, sondern offen für Experimente sein muss. Die handwerklich bestechende Kunstfertigkeit eines Balzac oder Proust ist ihm dagegen verhasst. Beckett schwebt eine Sprache vor, die nicht primär über etwas schreibt, sondern selbst zum Gegenstand des Geschriebenen wird. Im krisengeschüttelten Europa der dreißiger Jahre, in denen ein sozial engagierter Realismus gefragt ist, kommt er mit seiner Sprachskepsis nicht an. Sein Debütroman „Traum von mehr bis minder schönen Frauen“ findet keinen Verleger, sein zweites, 1938 publiziertes Werk „Murphy“ bleibt ein Ladenhüter.

In persönlicher Hinsicht bleiben die dreißiger Jahre für Beckett eine rastlose Zeit der Orientierungslosigkeit und persönlichen Krisen. Es zeigen sich Symptome einer Depression, Phasen von Lethargie und tiefer Mutlosigkeit, unter denen der Autor immer wieder leiden wird. Beckett fühlt sich fremd, nicht zugehörig. Nach einer mehrmonatigen Deutschlandreise 1936/37 verlässt er Dublin und das Elternhaus endgültig und lässt sich in Paris nieder. Er verliebt sich in die Pianistin Suzanne Deschevaux-Dumesnil, die er später heiraten wird, engagiert sich während der deutschen Besatzungszeit für die Résistance und erlebt in den finanziell kargen Nachkriegsjahren einen künstlerischen Aufbruch, der mit einer einschneidenden persönlichen Erkenntnis zusammenhängt: Er akzeptiert seine Gefühle von Unwissenheit und Ohnmacht als wesentliche Erfahrungen und macht sie zum künstlerischen Gegenstand seines Werks. Und zwar mittels seiner Erzähltechnik des „cold eye“, eines kühlen Blicks, mit dem er persönliche Eindrücke aus einer gewissen Distanz beobachtet und für sein Werk abstrahiert. Darüber hinaus bekennt er sich zu seiner Wahlheimat und schreibt fortan in der französischen Sprache. Das Stück „Warten auf Godot“ verfasst er „zur Entspannung“, wie er freimütig bekennt, um sich von den in einer Art Schreibwut entstandenen Romanen „Watt“ (1943/44), „Mercier und Camier“ (1946) und „Molloy“ (1947/48) zu erholen.  Im Mittelpunkt dieser Werke stehen Außenseiter, ausgegrenzt von einer Welt, in der sie sich nicht zurechtfinden.

Im Paris der Nachkriegszeit, in dem der Existentialismus eines Sartre en vogue ist und die Schriftsteller des Nouveau Roman sich experimentell und kritisch mit der Sprache auseinandersetzen, trifft Beckett plötzlich den Nerv der Zeit. „Warten auf Godot“ wird rasch nach seiner Uraufführung 1953 in einem kleinen Pariser Theater zum Stadtgespräch. Eine Provokation für das an eine logische Dramaturgie und plastische Charaktere gewöhnte Publikum, aber zugleich auch Ausdruck eines krisenhaften Lebensgefühls, das die eigene Existenz als zunehmend fragwürdig empfindet. Beckett begegnet dem plötzlichen Ruhm, indem er sich mit seiner Lebensgefährtin auf ein kleines, von hohen Mauern umgebenes Anwesen außerhalb von Paris zurückzieht, Interviewanfragen verweigert und zur Entgegennahme des Nobelpreises 1969 seinen Verleger vorschickt.

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Aus dem öffentlichen Kulturleben ist der medienscheue Nobelpreisträger damit jedoch nicht verschwunden. Im Gegenteil, er beteiligt sich an diversen Hörspielen, Filmen und Fernsehstücken, verfasst weitere Theaterstücke und inszeniert für das Schiller-Theater in den sechziger und siebziger Jahren einige Aufführungen seiner Werke. Seine schriftstellerische Schaffenskraft lässt in dieser Zeit jedoch merklich nach, Beckett leidet zunehmend unter Schreibhemmungen. Der Rahmen seiner Möglichkeiten, beklagt er selbst, wird mit jedem seiner kreativen Experimente kleiner. Am Ende mochten Sprachskepsis und Selbstzweifel über die Lust am Schreiben überwogen haben. Samuel Beckett stirbt am 22. Dezember 1989 und wird auf dem Friedhof von Montparnasse neben seiner Frau Suzanne beigesetzt.


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