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Zu Besuch bei alten und neuen Meistern

Zu Besuch bei alten und neuen Meistern

© Die Berliner Literaturkritik, 14.01.11

Willibald Sauerländer: Von Bildern und Menschen – Zu Besuch bei alten und neuen Meistern. C.H.Beck Verlag, München 2010, 198 S., 22,95 €, ISBN 978-3406606168.

Von Roland H. Wiegenstein

Seit der 1924 geborene Kunsthistoriker Willibald Sauerländer, dem wir unter anderem ein umfangreiches Werk über die französischen Kathedralen verdanken, von seinen Amtspflichten entbunden ist, besucht er als Kritiker Ausstellungen und schreibt darüber kenntnisreich in der „Süddeutschen Zeitung“. „Von Bildern und Menschen“ hat er eine Anthologie solcher Kritiken genannt, die ihn als gescheiten Flaneur vor Bildern entdecken lässt.

Von Duccio, dem seine Heimatstadt Siena 2003 eine große Ausstellung widmete, bis zur Fotografin und Travestitin Ciny Shermann, die 2007 in Berlin zu sehen war, reicht die Spannweite dieser Kritiken, die jederzeit Sauerländers stupende Bildung durchscheinen lassen, ohne dass die Zeitungsleser durch einen in seiner Disziplin weit verbreiteten Fachjargon verschreckt werden. „Gewiss, die Sagen der Alten sind fast ganz vergessen. Die Kenntnis der Bibel ist im Schwinden, von der kirchlichen Überlieferung ganz zu schweigen. Der Inhalt vieler alter Bilder und Skulpturen wird dadurch unlesbar, aber deren emotionale und sinnliche Botschaft bleibt ungebrochen und anrührend.“ Also verlangt er vom Kritiker „die Anstrengung der Höflichkeit und die Anstrengung der Phantasie.“ Und unterzieht sich sowohl der einen, als auch der anderen.

Das führt ihn dazu, den großen Duccio als einen Meister der Erzählung (in den Tafeln vom Leben Jesu auf der Rückseite der majestätischen „Maestà“) und darin als Konkurrenten Giottos zu erklären, obzwar die wundersamen Tafeln Duccios auch während der Ausstellung an ihrem Platz im Dommuseum verblieben, und qualifiziert zahlreiche Bilder der Ausstellung selbst als Zeugnisse „heimatliebender Nostalgie“ ab, was angesichts des enormen wissenschaftlichen Aufwands der Ausstellung wenig ungerecht zu sein scheint.

Gleiches widerfährt – zwar nicht so deutlich angesichts der großen Jan van Eyck-Ausstellung 2002 in Brügge – den Ausstellungsstücken, die nicht vom großen Jan van Eyck stammen, mit der Ausnahme eines Bildes von Jean Fouquet. Dem widmet Sauerländer, der große Liebhaber französischer Kunst, gleich noch eine ausführliche Rezension von dessen Miniaturen-Ausstellung in Paris. Und noch anderen französischen Darstellungen, etwa des Plastikers Houdon, und des „eine Art von Gott“ genannten Cézanne in Paris 1995.

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Er hat sich nicht auf „alte Kunst“ beschränkt. Auch Renoir kommt vor, Gauguin, die Amerikaner Edward Hopper, Mark Rothko, Cindy Sherman. In jedem Fall führt er auf den jeweils wenigen Seiten eines Aufsatzes eine Schule des entspannten und genauen Sehens vor. Das gelingt ihm fast auch bei Raffael. Und großartig bei El Greco oder Adam Elsheimer. Doch auch eine große Rubens-Schau in Lille wird kritisch beäugt und als „fragwürdig“ angesehen. Sauerländer ist kein scharfer Kritiker, er will das, was er liebt, vermitteln und Abgründe sind seine Sache nicht, wenngleich er sie sieht (bei Rothko etwa).

Zeitungskritiken sind meist von kurzer Dauer. Dass die Sauerländers, die klug und graziös sind, derart aufgehoben werden, wollen wir dem Verlag danken.


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