PADURA, LEONARDO: Der Mann, der Hunde liebte. Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein. Unsionsverlag Zürich, 730 S., 28,90 €.
Von Jürgen Meier
Dem Kubaner Leonardo Padura ist es gelungen einen Roman zu schreiben, der auf drei Ebenen schildert, wie Stalins Terrorherrschaft Millionen Menschen liquidierte, aber auch viele Kommunisten in ihren Bann zog und wie Trotzki selbst sechzig Jahre nach seiner Ermordung, für junge Kubaner eine Unperson blieb, dessen tatsächliche Geschichte und Ideen niemand wirklich interessierten. Auf der Ebene der dreißiger Jahre erzählt der Roman von Trotzkis elender Zeit im türkischen, französischen, finnischen und schließlich mexikanischem Exil. Hier erfährt Trotzki in einem Brief, den ihm eine alte Freundin nach Finnland schickt, wie groß Stalins Schatten auf dem Marxismus lastet: „Es ist furchtbar, mit anzusehen, wie ein System, das angetreten war, die Würde des Menschen wiederherzustellen, auf Glorifizierung, Denunziation und Vergeltung zurückgreift und sich auf das Böse im Menschen stützt. Ekel steigt in mir hoch, wenn ich die Leute sagen höre: Man hat M. erschossen, man hat P. erschossen...erschossen...erschossen...erschossen.... Wenn man die Worte oft genug hört, verlieren sie an Bedeutung.“ Trotzki ist verzweifelt, als er erfährt, dass von den Dreihundertvierundneunzig Mitgliedern des Exekutivausschusses der Internationale, die sich in der UdSSR aufhielten, im Laufe eines Jahres nur noch einhundertsiebzig am Leben waren. Die anderen waren erschossen oder in die Todeslager geschickt worden, unter ihnen Deutsche, Österreicher, Jugoslawen, Italiener, Bulgaren, Finnen, Balten, Engländer, Franzosen und Polen, wobei der Prozentsatz an Juden – auch Trotzki war Jude - bemerkenswert hoch war. Bei dieser Gelegenheit, so Padura, hatte Stalin mehr Führer der KPD liquidiert als Hitler. Doch Trotzki lässt sich bis zum Schluss seines Lebens, nicht beirren. Er gründet die IV. Internationale, schreibt Artikel und Bücher und hofft auf die Kraft marxistischen Denkens in der Sowjetunion, deren Kern er immer als schützenswert bezeichnet haben soll.
Parallel zu Trotzkis Lebens- und Gedankenschilderungen, zeigt der Roman in fesselnder Art und Weise, wie Trotzkis Mörder, ein spanischer Kommunist, der für die Verteidigung der spanischen Republik gekämpft hatte, systematisch in Lagern des KGB seines eigenen Ichs beraubt wurde, um ständig neue Identitäten annehmen zu können, die ihn schließlich immer näher an Trotzkis gut beschütztes Domizil in Mexiko brachten. Der Erzähler dieser zwei Ebenen berichtet auf einer dritten Ebene des Romans, wie er zufällig Trotzkis Mörder, der am Strand von Kuba seine Hunde ausführt, kennenlernt. Wie er immer tiefer in dessen Mörder-Biografie gerät, wie er sich immer mehr für Trotzki zu interessieren beginnt und wie er schließlich der Belastung dieser Geschichte, selbst sechzig Jahre nach dem Mord, nicht Stand halten kann. Ein Roman, der selbst Stalin Verehrer dazu verleiten könnte, sich einmal Trotzkis „Geschichte der russischen Revolution“ anzuschauen, die hat er nämlich u.a. im Exil geschrieben.
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