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Der neue Roman von Thomas Glavinic ist erschienen

„Das Leben der Wünsche“ ist ein zeitgemäßes Märchen

© Die Berliner Literaturkritik, 10.10.09

Von Katrin Börner

Jonas hat drei Wünsche frei. Doch dem Werbefachmann, der sich mit nervtötenden Aufträgen wie den Texten für Versandhauskataloge abplagt, erscheint keine zierliche Fee mit durchsichtigen Flügeln, um ihn in „Das Leben der Wünsche“ einzuführen. Vielmehr sitzt eines Tages ein Mann in Leinensakko und Bundfaltenhose neben Jonas auf der Bank. Aber er meint es ernst: „Jonas, ich erfülle Ihnen drei Wünsche“, sagt er.

Als Vater zweier Söhne und damit gewiefter Geschichtenerzähler weiß Jonas natürlich, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist. Er wünscht sich nicht nur mehr Wünsche, sondern dass sich alle seine Wünsche erfüllen. Und schon klappt die Falle zu, und Thomas Glavinics Protagonist schmort in seiner selbst geschaffenen komfortablen Hölle. Der Mann im Leinensakko mit Brille und blauem Aktenköfferchen warnt zwar noch: Sie können sich keine anderen Wünsche wünschen. Doch wie schafft man es, Gedanken nicht zu denken?

Glavinic, 1972 in Graz geboren, gilt als besonders wandlungsfähiger Schriftsteller. In dem selbstironischen „Das bin doch ich“ hatte er die Befindlichkeiten eines österreichischen Autors persifliert. In seinem neuen Roman „Das Leben der Wünsche“, der bereits auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2009 landete, und dem vorangegangenen Buch „Die Arbeit der Nacht“ geht es düsterer zu. Doch um dem Leser Gänsehaut zu bereiten, braucht Glavinic keine Spezialeffekte. Dafür reicht der ganz alltägliche Horror wie ihn Unfälle, Krankheiten oder auch nur Kollegen mit ihren speziellen Forderungen bereiten.

Die Sprache Glavinics ist schnörkellos schlicht und klar. Ebenso klar wäre eigentlich das Leben seines Jonas. Er versorgt die Kinder, wischt den Fußboden, sortiert die Wäsche und textet für die Werbung. Alles ganz klar, ganz einfach. Er ist mit Helen verheiratet und liebt Marie, weniger einfach, aber auch klar. Aber er wünscht sich zu verstehen, wie die Dinge zueinander stehen, wie die Welt eingerichtet ist. Er möchte in Zukunft und Vergangenheit schauen. „Das wünschen Sie sich nicht“, hatte der Mann im Leinesakko gesagt, mehr als Warnung, denn als Feststellung, bevor Jonas seine fatale Entscheidung traf. Aber nun hat Jonas jeden Wunsch frei und damit ist gar nichts mehr klar. Immer öfter läuft er, joggt, macht lange Spaziergänge oder Wanderungen, ohne zu sich selbst finden zu können.

Es ist natürlich nicht so, dass bei der ganzen Wünscherei nicht auch etwas Gutes herauskommen kann. Ein paar Gewinner gibt es schon in diesem sehr zeitgemäßen Märchen. Doch selbst dann bleibt ein schaler Nachgeschmack. Denn schon taucht die Frage auf, entstehen Wünsche, die sich positiv auswirken, aus reiner Herzensgüte oder auch aus Gründen wie Scham oder aus dem Verlangen, Verantwortung abzuschütteln? Glavinic lässt seinen Jonas versuchen, „Gnade und Dankbarkeit in der Absurdität“ zu finden. Manchmal gelingt das zwar, aber beide geben zu: selten.

Literaturangabe:

GLAVINIC, THOMAS: Das Leben der Wünsche. Hanser Verlag, München 2009. 320 S., 21,50 €.

Weblink:

Hanser Verlag


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