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„Der Omega-Punkt“ von Don DeLillo

Der neue Roman des amerikanischen Propheten

© Die Berliner Literaturkritik, 10.06.10

Von Karolina Szczepanska

Don DeLillo ist mit seinem letzten Wurf nicht mehr der Prophet der amerikanischen Gegenwartsliteratur, sondern er wendet sich – wie der Titel seines neuesten Romans impliziert – dem Endpunkt zu. Dies tut er allerdings mit der ihm eigenen und unverwechselbaren Eindringlichkeit, die sich noch lange nach dem Lesevergnügen nicht verflüchtigen will.

Für die wiederholte literarische Konstruktion von Terroristen, wie beispielsweise in „The Uniforms“ (1970), „Great Jones Street“ (1973), „Players“ (1977) oder „Libra“ (1988) sowie deren Gegenüberstellung zum Schriftsteller in „Mao II“ (1991), ist DeLillo bekannt. Jene gepaart mit der Bedrohung und Unbeständigkeit des amerikanischen Größenwahns ließ sein Gesamtwerk angesichts der Anschläge vom 11. September aktuell und für manche gar prophetisch erscheinen. Kommentare wie die seiner Figur Pammy in „Players“, für die die „Türme nichts Dauerhaftes [haben]“; oder Brita in „Mao II“, die über die Türme sagt, dass „[ihre] Größe … tödlich [ist]“; und selbst das Umschlagfoto von „Underworld“ (1997) weckten DeLillo gegenüber immer wieder  eine Erwartungshaltung, die er mit seinem 9/11 Roman „Falling Man“ (2003) nicht in jeder Hinsicht erfüllen konnte. Seit „Cosmopolis“ von 2003 jedoch wendet sich der Autor zunehmend den Performance-Künstlern und dem Thema Zeit bzw. der Vergänglichkeit zu und ist nun mit „Der Omega-Punkt“ am absoluten Stillstand angelangt.

Die Story spielt hauptsächlich in der Wüste Nevadas, irgendwo im Nichts. Ein junger Filmkünstler möchte einen alternden Professor und ehemaligen Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes dazu bewegen, bei seinem neuesten Projekt die Hauptrolle zu spielen. Dieser ziert sich allerdings und verbringt mehrere Wochen zusammen mit dem Künstler in seinem Refugium in der Wüste, bis dessen Tochter auftaucht und den Omega-Punkt beider Männer mit ihrem mysteriösen Verschwinden vollständig initiiert.

Umrahmt ist diese Geschichte von einer interessanten künstlerischen Installation des Hitchcock Klassikers „Psycho“, der über eine Woche lang auf Echtzeit verlangsamt in einem Museum vorgeführt wird. Auch diese Rahmenhandlung ist in mehrfacher Hinsicht der Anfangs- und Endpunkt des Romans, denn Zeit und Wahrnehmung sind zwar Dinge, auf die wir uns in unserem täglichen Dasein stützen, aber letztendlich nichts anderes als auswechselbare Konstrukte darstellen.

Sprachlich brilliert DeLillo in seiner für sich mittlerweile etablierten Minimalistik und trumpft erneut als Meister der amerikanischen Postmoderne auf. Doppelungen, Verbindungen, Abstraktionen und intellektuelle Höhenflüge werden dominiert von der unendlichen Sinnlosigkeit und Leere der Landschaft und des eigenen Seins. Die Atmosphäre der Kargheit der Wüste, aber auch der Figuren schwebt permanent über der Geschichte und reißt den Leser am Ende mit an den eigenen, ganz persönlichen Omega-Punkt. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen ist man nach der Beendigung der recht übersichtlichen Lektüre versucht, sogleich erneut mit ihr zu beginnen. Denn wie schon in seinen vorangegangenen Werken, entlässt uns der Meister der Postmoderne mit einem Gefühl der unbestimmten, subtilen Unsicherheit, die doch so prägend für unseren Zeitgeist ist. Somit ist am Omega-Punkt die Grenze zwischen Prophezeiung und Resümee der aktuellen Lage durch den Autor nicht mehr vorhanden. Allein aus diesem Grund sollte Don DeLillo nicht mehr lange auf den Nobelpreis warten müssen.

Literaturangabe:

DELILLO, DON: Der Omega-Punkt. Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2010. 112 S., 16,95 €.

Weblink:

Kiepenheuer und Witsch


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