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Der Papst kämpft um den Glauben

Benedikt XVI über Glaubensfähigkeit und christliche Kernaussagen

© Die Berliner Literaturkritik, 10.03.11

Ratzinger, Joseph, Benedikt XVI: Jesus von Nazareth - zweiter Teil, vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung . Herder Verlag,  2011. 368 S., 22,00 €.

Von Matthias Hoenig

Mit dem neuen Jesus-Buch von Papst Benedikt kommt der absehbare religiöse Bestseller des Jahres an diesem Donnerstag auf den Markt. Der Herder Verlag druckt zum Start 150 000 Exemplare. Im Pressesaal des Vatikans und in Frankfurt wird das in acht Sprachen zeitgleich erscheinende Werk vorgestellt. Bereits vom ersten Jesus-Band (2007) wurden allein im deutschsprachigen Raum über eine halbe Million Exemplare verkauft. Ging es darin um vergleichsweise noch eingängige religiöse Kost - etwa die Bergpredigt oder um die Gleichnisse Jesu -, so setzt sich der frühere Theologieprofessor Joseph Ratzinger jetzt mit den unbequemen, schwierigsten Fragen und Glaubensinhalten des Christentums überhaupt auseinander.

Der Sühnetod Jesu

Warum hat Gott zur Erlösung der Menschheit seinen Sohn Jesus am Kreuz sterben lassen? Dieser Sühnetod ist heute selbst Christen kaum vermittelbar. „Ist es nicht ein grausamer Gott, der unendlich Sühne verlangt? Ist dies nicht eine Gottes unwürdige Vorstellung“ greift der Papst verbreitetes Unverständnis auf, um zu antworten: „Die Realität des Bösen, des Unrechts, das die Welt entstellt und zugleich das Bild Gottes verschmutzt - diese Realität ist da, durch unsere Schuld. Sie kann nicht ignoriert, sie muss aufgearbeitet werden.“ Nun werde aber nicht etwa durch einen grausamen Gott Unendliches verlangt. „Es ist genau umgekehrt: Gott selbst richtet sich als Ort der Versöhnung auf und nimmt das Leid in seinem Sohn auf sich.“

Am Ende seiner theologischen Ausführungen räumt Benedikt allerdings Grenzen des Verstehens ein: „Das Dunkel, die Unlogik der Sünde und die für unsere Augen übergroße Helligkeit Gottes treffen sich im Kreuz und das übersteigt unsere Logik.“ Das Geheimnis der Sühne dürfe „keinem besserwisserischen Rationalismus geopfert werden“.

Das leere Grab und die Auferstehung Jesu

„Der christliche Glaube steht und fällt mit der Wahrheit des Zeugnisses, dass Christus von den Toten auferstanden ist“, betont Benedikt. Er redet für einen Theologen ungewöhnlich Klartext: „Jesus ist kein ins allgemein biologische Leben Zurückgekehrter, der dann nach den Gesetzen der Biologie eines Tages wieder sterben müsste. Jesus ist kein Gespenst („Geist“) (...) Die Begegnungen mit dem Auferstandenen sind aber auch etwas anderes als mystische Erfahrungen(...).“ Für Benedikt ist die Auferstehung „ein Ereignis in der Geschichte, das doch den Raum der Geschichte sprengt und über sie hinausreicht.“ Die Auferstehung sei anzusehen als so etwas wie ein „radikaler "Mutationssprung"„, „in dem sich eine neue Dimension des Lebens, des Menschseins auftut“. Die Auferstehung Jesu führe über die Geschichte hinaus, „aber sie hat eine Fußspur in der Geschichte hinterlassen“.

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Verteidiger des Glaubens

Benedikt wirkt wie ein Defendor Fidei nach allen Seiten: Er verteidigt den biblisch überlieferten Glauben gegen Theologen, die das leere Grab und die Auferstehung lediglich in einem übertragenen Sinne deuten und der Geschichte entziehen wollen. Umgekehrt lehnt er einen naiven Auferstehungsglauben ab. Der historisch-kritischen Exegese (Bibelauslegung) hält er wiederum vor, mit ihrer Reduktion auf nachprüfbare Fakten die theologische Dimension auszublenden und damit zu kurz zu greifen. Jesus will er auch vor seiner Meinung nach falschen Vereinnahmungen als politischen Revolutionär retten.

Im Vorwort betont Benedikt, dass er weder eine Biografie über das Leben Jesu noch eine Christologie, also eine rein theologische Sicht über Jesu Heilsbedeutung schreiben wollte. Schon näher liege der Vergleich mit dem theologischen Traktat über die Geheimnisse Jesu, dem der mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin in seiner „Summe der Theologie“ klassische Gestalt gegeben habe. Und dabei setzt der Papst, geführt „von der Hemeneutik des Glaubens“, auf die historische Vernunft, „die in diesem Glauben selbst notwendig enthalten ist“. Ratzinger will die theologische und die historische Dimension verbinden, er spricht von einer „Christologie von unten“, die also vom Leben Jesu ausgeht.

Verantwortung für den Tod Jesu?

Theologisch seit Jahrzehnten längst geklärt, aber kirchenpolitisch immer noch wichtig zu sagen: Das Volk der Juden sei in seiner Gesamtheit keineswegs verantwortlich für Jesu Tod, betont Benedikt. Die entsprechenden Bibelstellen meinten die damals anwesende jüdische Tempelaristokratie. Die für viele unverständliche Bibelstelle bei Matthäus (27,25) - „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ - erklärt Benedikt nicht als Rachegelüste, im Gegenteil. Jesu Blut „ruft nicht nach Rache und nach Strafe, sondern nach Versöhnung. Es wird nicht gegen jemand vergossen, sondern es ist Blut, vergossen für viele, für alle.“

Starb Jesus „für viele“ oder „für alle“?

Für Katholiken am brisantesten dürfte Benedikts Reflexion darüber sein, ob Jesus beim letzten Abendmahl laut Bibel gesagt hat, dass sein Blut „für alle“, also die ganze Menschheit, oder lediglich „für viele“, das Volk Israels (aus heutiger Sicht allein die Gläubigen) vergossen hat. Die Deutsche Bischofskonferenz hat klargemacht, dass sie an der bisherigen Sprachregelung („für alle“) festhalten will - trotz eines seit 2006 vorliegenden Änderungsauftrags für die Messworte aus dem Vatikan, der damit eine möglichst genaue Übersetzung der Bibel anstrebt. In seinem Buch betont der Papst, dass Jesus für die ganze Menschheit gestorben ist. Allerdings zeigt Benedikt zugleich Verständnis für die philologisch korrekte Übersetzung „für viele“, weil der Kreis derer, die zur Eucharistie gehen, kleiner sei als der universale Sühneauftrag Jesu.

Widerspruch vorgezeichnet

Das Buch wird Widerspruch auslösen. Wie ein roter Faden schimmert durch den gesamten Text das Bemühen, den christlichen Glauben wieder auf Gott direkt zurückzuführen und Jesus vor theologischen oder politischen Relativierungen zu bewahren. In der Tradition der Kirchenväter versteht sich der inzwischen 83 Jahre alte Papst spürbar als Katechet: Als Unterweiser im rechten Glauben, der in heutiger Zeit immer mehr verloren zu gehen droht. Dabei orientiert sich Benedikt vor allem an der Bibel. Manche Theologien werden eher als verwässernd oder irreführend abgelehnt. Zum Dialog mit Atheisten oder Gläubigen anderer Religionen trägt das Werk wenig bei. Es kann vor allem als Wegweiser und Ermutigung für Christen dienen, die um ihren Glauben ringen.


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