Von Frauke Kaberka
Keine Sorge: Mathias Ullmann hat in seinem neuen Roman „Ohne Engel“ nicht etwa die Weihnachtsgeschichte umgeschrieben. Vielmehr handelt es sich dabei um die bereits im Frühjahr angekündigte Fortsetzung seiner Satire „Josephsmacher“ - wobei die neuerliche Anspielung auf die Heilige Familie sicherlich kein Zufall ist. Im Mittelpunkt seines jüngsten Werks steht wieder der alleinerziehende Vater Robert Hartmann. Also jener arbeitslose Historiker, der sich und seine beiden Kinder als „Josephsmacher“ ein paar Jahre über Wasser hielt, indem er gegen ein entsprechendes Entgelt verheirateten Frauen anonym zu hübschem Nachwuchs verhalf.
Das war nicht seine einzige Einnahmequelle. Die lukrativere war sein Job als Auftragskiller, was ihn eines Tages allerdings für einige Zeit in die Versenkung, sprich: auf die Seychellen, zwang. Nun ist er zurück und voller guter Vorsätze, sich nach Möglichkeit an Recht und Gesetz zu halten. Er bekommt dank guter alter Verbindungen eine Teilzeitstelle bei den Dresdner Kunstsammlungen als „Provenienzforscher“. Als solcher hat er sich darum zu kümmern, „unangenehme“ Rückforderungen von Museumsschätzen durch tatsächliche oder angebliche Alteigentümer zu überprüfen und möglichst abzuschmettern. Seine Tage verbringt Hartmann nun also zwischen Tizians „Zinsgroschen“ und Raffaels „Sixtinischer Madonna“. Angenehm, aber nicht sonderlich einträglich und schon gar nicht sicher.
Und so sucht der an Luxus gewöhnte Hartmann nach einer weiteren Möglichkeit, auf unkonventionelle Weise sein Einkommen aufzustocken. Er bietet betuchten Unternehmern an, ihnen einen bibliophilen Touch zu verpassen, indem er ihre protzigen Villen mit antiquarischen Kostbarkeiten ausstattet. Das Gewerbeamt findet sogar einen passenden Namen für die Nebentätigkeit: Anbieter haushaltsnaher Dienstleistungen. In einem alten Studienkumpel - früher Stasi-Mitarbeiter, heute Antiquar - scheint er den idealen Partner für sein Bibliotheksgeschäft gefunden zu haben. Und er verlässt dabei auch nur um wenige Fußlängen den Pfad der Tugend - bis zu einem mordsmäßigen Seitensprung.
Wieder webt Ullmann ein Netz aus Spannung, Spaß, Ironie und Gesellschaftskritik, in dem sich nicht nur aus dem Vorgängerroman bekannte Akteure, sondern auch neue Charaktere verfangen. Seine satirische Darstellung amoralischen Verhaltens als durchaus erfolgreich im (Über)Lebenskampf ist selbstredend nicht zur Nachahmung empfohlen, offenbart aber auch die Schwächen eines bürokratischen und auf Wohlstand ausgerichteten Systems, das wenig Raum für Kreativität und Freigeist lässt. Das Ergebnis ist ein lesenswertes Stück neudeutscher Literatur, durch das - dem Titel zum Trotz - jede Menge Engel geistern.
Literaturangabe:
Mathias Ullmann: Ohne Engel. VAT Verlag André Thiele, Mainz 2009. 270 S., 14,90 €.
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