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„Sog der Stille“

Büchner-Preisträger Walter Kappacher im Porträt

© Die Berliner Literaturkritik, 30.10.09

Von Thomas Maier

DARMSTADT (BLK) - Er galt lange als „Geheimtipp“. Erst mit „Selina“ (2005) wurde Walter Kappacher von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Der 71-jährige Österreicher, dessen Stil oft mit dem seines Landsmannes Adalbert Stifter (1805-1868) verglichen wird, erhält an diesem Samstag (31.10.) in Darmstadt den renommierten Georg-Büchner-Preis für sein Lebenswerk. Die mit 40.000 Euro dotierte Auszeichnung gilt als die wichtigste der deutschsprachigen Literatur.

In der Reihe der Büchner-Preisträger kann Kappacher auf einen der ungewöhnlichsten Lebensläufe verweisen. In Salzburg geboren und aufgewachsen, reparierte er nach der Schulzeit als gelernter Mechaniker Autos und Motorräder. Dann sattelte er nach abgebrochenem Schauspielstudium auf Reisebüro-Kaufmann um, bevor er im Alter von knapp 30 Jahren die ersten Kurzgeschichten veröffentlichte.

Nicht nur der Werdegang des Autors ist unkonventionell - auch die literarische Würdigung von Kappachers „stiller Prosa“ hat auf sich warten lassen. Dem Erstling „Morgen“ (1975) folgten zwar eine Anzahl von weiteren Romanen und Erzählungen. Doch erst mit „Selina“ (2005) rückte Kappacher stärker ins Bewusstsein der literarischen Öffentlichkeit. Im Frühjahr dieses Jahres erschien der viel beachtete Künstlerroman „Fliegenpalast“.

Bisher sind davon rund 25.000 Exemplare erschienen, teilte der Residenz Verlag im österreichischen St. Pölten mit. „Nach der Zuerkennung des Georg-Büchner-Preises hat die Nachfrage nach ‚Fliegenpalast’ deutlich zugenommen“, sagte Vertriebsassistentin Raffaela Springer. „Wir sind jetzt schon bei der neunten Auflage.“

Dieser poetische Realist unserer Tage, der bei vollkommener Gegenwärtigkeit an die große Erzähltradition anknüpft, erzeugt einen ‚Sog der Stille’“, begründete die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung die Preisvergabe. Kappacher habe eine „leise, musikalische Prosa voll melancholischer Unerbittlichkeit“ geschaffen.

Kappacher wird für seine Beobachtungsgabe und unprätentiöse Sprache gerühmt. Ihm ist jeder Rummel fremd. „Über meinen Stil denke ich nicht nach. Ich versuche Sätze zu schreiben, die mir selber gefallen“, sagt der bedächtige Schriftsteller. In Kappachers Romanen geht es ruhig und unspektakulär zu - so wie der Autor selbst auch ist. Seine Protagonisten sind eher Anti-Helden, die im ganz normalen Alltag ihren Lebenssinn suchen.

In „Selina oder das andere Leben“ - der Titel nimmt Bezug auf ein Romanfragment von Jean Paul - nimmt sich ein Lehrer eine Auszeit in der Toskana, um einen Bauernhof zu renovieren. Im „Fliegenpalast“ steht der österreichische Dichter Hugo von Hofmannsthal im Mittelpunkt, der im fortgeschrittenen Alter im Kurort Bad Fusch vergeblich auf eine Lösung seiner Schaffenskrise hofft.

In Kappachers Romanen findet sich kein durchgängiges „Lebensthema“, im Gegensatz zu anderen österreichischen Autoren - etwa dem Büchner-Vorjahrespreisträger Josef Winkler aus Kärnten. Jedes Buch ist anders, auch wenn der Schriftsteller seinem Stil treu bleibt. Immer wieder tauchen bei Kappacher, der weiterhin bei Salzburg lebt, auch autobiografische Züge auf.

Schon in seinem frühen Roman „Die Werkstatt“ im Jahr 1975 hat der Autor seine Leidenschaft für den Motorsport verarbeitet. Er schildert das Leben eines Motorradmechanikers, der in den USA ein Stock-Car-Rennfahrer wird. Im Roman „Silberpfeil“ (2000) kehrte Kappacher ein Vierteljahrhundert später erneut zu diesem Thema zurück. In diesem Werk recherchiert ein junger Journalist über die deutschen Silberpfeile der 30er Jahre. Dabei geht es auch um die Verbindungen des Motorsports zu Hitler und dem Nazi-Regime.


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