Von Thomas Maier
FRANKFURT AM MAIN (BLK) – Der Star der 60. Frankfurter Buchmesse ist kein Schriftsteller, sondern ein elektronisches Lesegerät: Zum Auftakt der weltgrößten Bücherschau haben am Mittwoch (15. Oktober) gleich mehrere Hersteller ihre neuen E-Books der Fachwelt vorgestellt. Dazu gehören der bereits in den USA erfolgreiche „Kindle“ des Online-Buchhändlers Amazon und der „Reader“ von Sony. Der japanische Konzern kündigte in Frankfurt an, sein Gerät in Kooperation mit dem Buchgroßhändler Libri und der Buchhandels-Kette Thalia im Frühjahr 2009 bundesweit auf den Markt zu bringen.
Experten sind sich einig, dass die neue Generation der E-Books den Buchmarkt in den kommenden Jahren kräftig durcheinanderwirbeln wird. Dank der elektronischen Tinte kann man mit diesen Geräten bei konstant hoher Bildschirmqualität überall bequem lesen. Der Akku reicht oft tagelang, und die Anzahl der gespeicherten Bücher ist fast unbegrenzt. Der Cheflektor des Verlags Kiepenheuer & Witsch, Lutz Dursthoff, ist sicher, dass sich E-Books „langsam und kontinuierlich“ durchsetzen werden. Elektronische Geräte hätten nicht nur große Vorteile für professionelle Viel-Leser und den gesamten Wissenschaftsbereich. Auch für „den Krimi am Strand“ seien sie eine Alternative, sagte Dursthoff, in dessen Verlag inzwischen alle Mitarbeiter ein E-Book haben.
Schon im nächsten Jahr dürfte ein breites Spektrum der Geräte in Deutschland verfügbar sein – vom Klassiker der Firma iRex bis zu einem handyartigen Kleingerät („Readius“) der Firma Polymer Vision. Dieses nur etwa 100 Gramm schwere Gerät hat ein zusammenrollbares Display. Je nach Gusto können Verbraucher zwischen einem kleinen oder größeren Bildschirm, einem leichteren oder schwereren Gerät wählen. Hinzu kommt noch die neueste Generation des iPhone von Apple, das ebenfalls Software für E-Books anbietet.
Alle Geräte haben dabei Vor- und Nachteile. Der – in Deutschland noch nicht marktreife – Kindle von Amazon hat den Vorteil, dass über ein Mobilfunkmodul Inhalte direkt auf das Gerät heruntergeladen werden können. Nachteil: Die Buch-Software kann nur bei Amazon gekauft und nur mit dem Kindle gelesen werden. Die anderen Hersteller wie auch Sony setzen dagegen auf ein „offenes Format“. Alle elektronischen Bücher sollen auch auf allen Geräten funktionieren.
Abgesehen von den technischen Details ist auch die Form sowie die Härte des Kopierschutzes noch ungeklärt. Und was den Leser am meisten interessieren dürfte: der Preis für Hard- und Software. Derzeit liegen die Angebote für die Lesegeräte zwischen etwa 200 bis 600 Euro. Sony will seinen Einführungspreis in Deutschland erst Anfang 2009 bekanntgeben. Bei einem Preis von 150 Euro werde das E-Book einen richtigen Schub bekommen, glaubt E-Book-Experte Falk Kühnel, der selbst das Gerät „Cybook“ in Deutschland vertreibt. Auch Hinderliches wie das derzeit noch etwas umständliche Umblättern werde sich schnell ändern.
Genauso wichtig – und zugleich umstritten – ist der Preis für die elektronischen Bücher, mit denen die Geräte bestückt werden. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat vor wenigen Tagen erklärt, dass aus seiner Sicht die Buchpreisbindung auch für E-Books gelte. Dies werde man notfalls auch vor Gericht durchsetzen. Kühnel hält das für geradezu „albern“. Im Vergleich zu den USA seien die deutschen Buchverlage – mit Ausnahme von Branchenführer Random House – ohnehin beim Angebot von E-Books „hinten“, kritisiert er.
Spätestens am Mittwoch (15. Oktober) hat der Wettlauf begonnen: Der Börsenverein will über seine Online-Plattform („libreka“) möglichst viele Verlage und Buchhändler Zugang zu E-Books verschaffen. Sony hat Libri und Thalia als Verbündete gewonnen. „Das grundsätzliche Leseverhalten wird sich (durch das E-Book) nicht ändern“, prophezeite Buchwissenschaftler Christoph Bläsi von der Universität Erlangen- Nürnberg auf der Messe. Er glaubt an eine „friedliche Koexistenz“ beider Formate. Schade sei aber schon, dass man ein schlechtes Buch künftig nicht mehr einfach so wegwerfen könne.