BERLIN (BLK) – Im Februar ist in der edition q des be.bra Verlages Laura Murziks und Lina Lisa Kolbitz’ Führer „Auf dem Jakobsweg durch Brandenburg. Von der Oder bis nach Berlin.“ erschienen.
Klappentext: Spätestens seit Hape Kerkeling ist der Jakobsweg in aller Munde. Doch der Weg der mittelalterlichen Pilger begann nicht erst in Spanien. Auch von Brandenburg aus machten sich Menschen auf den Weg zum Heiligen Jakobus. Dieses Buch erschließt die historischen Pilgerrouten und macht auf unterhaltsame und informative Art Lust, Landschaft und Geschichte Brandenburgs neu zu entdecken. Das Buch ist ein unentbehrlicher Begleiter beim Wandern und Pilgern.
Laura Murzik, geboren 1980, studierte Kulturwissenschaften in Frankfurt (Oder) und Liège. Derzeit studiert sie Kulturmanagement und Kulturtourismus, lebt in Berlin und war maßgeblich an der Entwicklung und Durchführung des Projekts „Jakobswege östlich und westlich der Oder“ beteiligt.
Lina Lisa Kolbitz wurde 1979 geboren, sie hat ihren M. A. in Kulturwissenschaften, lebte und arbeitete zeitweilig in Santiago de Compostela. Derzeit studiert sie Kulturmanagement und Kulturtourismus in Frankfurt (Oder) und koordiniert das Projekt „Jakobswege östlich und westlich der Oder“. (car/wip)
Leseprobe:
© be.bra verlag GmbH ©
Reiseteil
Frankfurt (Oder)
Ausgangspunkt der Wanderung für die Nord- und Südstrecke
Als Grenzstadt zu Polen bildet Frankfurt (Oder) den Ausgangspunkt unserer Pilgerreise. Uns erwarten häufig dünn besiedelte Wald-, Feld und Wasserlandschaften als Zeugnisse der eiszeitlichen Endmoränenlandschaft. Diese prägte das Bild Ostbrandenburgs stark. Die Geschichte der Stadt reicht zurück bis in die Steinzeit, als sich an der ehemals flacheren Furt menschliche Ansiedlungen bildeten. In der slawischen Siedlungszeit war der Ort bedeutender Umschlagplatz für Salz-, Tuch-, Kupfer- und Fischhandel sowie ein wichtiger Kreuzungspunkt für vielfache Handelswege. Immer mehr Handwerker und Kaufleute besiedeln Frankfurt, was zu einem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt führte.
Der Name Frankfurt geht auf die Weisung des Markgrafen Johann im Jahre 1253 zurück, als die Stadt „Frankenvorde“ angelegt wurde. Diese Bezeichnung bezieht sich auf die Ansiedlung von Neubürgern aus dem Westen und bedeutet „Furt der Franken„. Bis in das 17. Jahrhundert hinein galt die Stadt als Knotenpunkt für Osteuropa und bildete eine einflussreiche Handelsmetropole. Mit dem Aufstreben Berlins schwand Frankfurts Stellung ab dem 19. Jahrhundert langsam. Heute ist die Kleiststadt Frankfurt vor allem ein wichtiges Austauschzentrum für den Verkehr, die Wirtschaft und die Wissenschaft Deutschlands mit Polen und Osteuropa. Wir wollen vor allem diesen mittelalterlichen Spuren des Handels folgen und uns in dieser Atmosphäre einen Teil der Strecke erpilgern.
In der Stadtmitte beginnen wir mit der Pilgerroute an der ehemaligen Hauptpfarrkirche der Stadt – St. Marien. Das Gebäude ist der größte Kirchenbau in Backsteingotik im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert. Der ehemalige Hochaltar der St. Marien-Kirche ist heute in der Gertraudkirche zu besichtigen und zählt mit seinen zwei Reiseteil Flügelpaaren und den 16 Gemälden zu den größten Altären Norddeutschlands.
Die Gertraudkirche beherbergt einen der bedeutendsten spätgotischen Altäre in der Mark Brandenburg. Auch die Bronzetaufe aus dem 14. Jahrhundert, auf der sich 44 Reliefs befinden, lädt zum andächtigen Schauen ein. Bei näherer Betrachtung der Taufe erkennt man eine deutliche Ähnlichkeit mit den Glasmalereien der Genesisfenster in der Marienkirche. Die Darstellungen aus dem Marienleben, die sich auf dem Hochaltar befinden, gehen nicht auf die Lukas-Offenbarung des Neuen Testaments zurück. Es handelt sich hierbei um die Offenbarungen der Heiligen Birgitta von Schweden. Maria wird hier als Himmelskönigin dargestellt und steht zwischen den Patronen des Bistums Lebus, dem Heiligen Adalbert von Prag und der Heiligen Hedwig. Wir werfen einen genauen Blick auf Maria, die das Christkind und das Lilienzepter hält. Das Symbol der Lilie wird uns auf unserer Reise in Richtung Bernau erneut begegnen.
Wir bewundern in der St. Marien besonders den in Europa einmaligen Antichrist-Zyklus. Die drei Chorfenster der Kirche bilden den wichtigsten erhaltenen Bestand mittelalterlicher Glasmalerei – auch wenn es sich hierbei um die Zusammensetzung aus Glasmosaiken handelt. Auf den Fenstern befinden sich, neben dem seltenen Beispiel der Antichrist-Legende, ein Passionsgeschehen sowie der Genesiszyklus. Das Nordportal ist wegen der Jakobusabbildung interessant für Pilger. Dort befinden sich Steinreliefs des Reichsadlers, des böhmischen Löwen und des Brandenburger Adlers. Die Symbole lassen sich zurückführen auf Kaiser Karl IV., der die Askanier im 14. Jahrhundert als Markgraf abgelöst hat. Gestaltet wurde das Nordportal von dem schwäbischen Baumeister Peter Parler, der durch seine Arbeit an dem St.-Veits-Dom in Prag Berühmtheit erlangte.
Auf der linken Seite des Nordportals entdecken wir unseren Schutzpatron: den Heiligen Jakobus mit drei Muscheln auf seinem Hut. Er wird uns bald aus der Stadt und auf den Jakobsweg leiten. Bei dem Symbol des Jakobus handelt es sich vermutlich um ein Zeichen, das auf die Pilger in Frankfurt hinweist. Es bestehen Bezüge zwischen dem Symbol des Heiligen Jakobus und der Patrizierfamilie Hokemann, die in Frankfurt lebten. Die älteste Quelle der Jakobus-Abbildung aus dem 19. Jahrhundert ist im Frankfurter Stadtarchiv aufbewahrt. Darauf hält Jakobus das Wappen der Hokemanns. Bei näherer Betrachtung lassen sich die Muscheln auf seinem Hut erkennen und wir sehen ihn in der Pilgerpose mit seinem Stab.
Bevor wir uns auf den Weg machen, werfen wir einen Blick auf das gegenüber liegende Rathaus als einen weiteren bedeutenden Bau der norddeutschen Backsteingotik. Das Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert besitzt ein hohes Satteldach und ist reich an Schaugiebeln. Im Rathauskeller bestaunen wir das frühgotische Kreuzrippengewölbe. Der goldene Hering über dem Südgiebel blitzt in der Sonne und zeugt vom Heringshandel der Stadt, der im Mittelalter betrieben wurde. Diesen Hering finden wir zusammen mit Muschelsymbolen auch am Eingang des Rathauses. Die Muschelsymbole verweisen vermutlich als maritime Symbole auf die Bedeutung Frankfurts als Hansestadt.
Wir erfahren von einem Jacobispital, das von Nikolaus Berfelde und seiner Gattin Katherine für bedürftige Fremde, Wandersleute und Pilger 1454 gestiftet wurde. Dieses Spital wurde nicht unter dem in Norddeutschland üblichen Patronat der Heiligen Gertrud errichtet, sondern unter der Schutzherrschaft des Heiligen Jakob. Das Spital ist nicht mehr erhalten. Es befand sich bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nördlich der Stadtbrücke.
Wie die damals in das Spital einkehrenden Pilger, können wir heute in unmittelbarer Nähe des Rathauses die Nikolaikirche (heute Friedenskirche), als ältesten Kirchenbau Frankfurts, bewundern. Benachbart liegt das Franziskanerkloster, indem sich eine Konzerthalle befindet. Von der Friedenskirche kann man auf einer geplanten Zusatzroute über die Wüste Kunersdorf zum alten Bischofssitz Lebus pilgern.
Das Kleist-Museum der Stadt lohnt sich ebenfalls für einen Besuch. Es ist Literaturmuseum und Forschungseinrichtung zugleich und widmet sich dem Werk und der Wirkung des Dramatikers und Novellisten Heinrich von Kleist (1777-1811). Wir erfahren dort auch etwas über die Dichter Ewald Christian von Kleist (1715-1759), Franz Alexander von Kleist (1769-1797) und Friedrich da la Motte Fouqué (1777-1843).
© be.bra verlag GmbH ©
Literaturangaben:
MURZIK, LAURA / KOLBITZ, LINA LISA: Auf dem Jakobsweg durch Brandenburg. Von der Oder bis nach Berlin. edition q (bei bei be.bra Verlag), Berlin 2008. 144 S., 67 Abbildungen, 9,90 €.
Verlag