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Deutschlands Zukunft

Thilo Sarrazins umstrittenes Werk

© Die Berliner Literaturkritik, 18.01.11

MÜNCHEN (BLK) – Der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin hat im August 2010 im DVA Verlag München das Buch „Deutschland schafft sich ab“ herausgebracht.

Klappentext: Thilo Sarrazin beschreibt mit seiner profunden Erfahrung aus Politik und Verwaltung die Folgen, die sich für Deutschlands Zukunft aus der Kombination von Geburtenrückgang, problematischer Zuwanderung und wachsender Unterschicht ergeben. Er will sich nicht damit abfinden, dass Deutschland nicht nur älter und kleiner, sondern auch dümmer und abhängiger von staatlichen Zahlungen wird. Sarrazin sieht genau hin, seine Analyse schont niemanden. Er zeigt ganz konkret, wie wir die Grundlagen unseres Wohlstands untergraben und so den sozialen Frieden und eine stabile Gesellschaft aufs Spiel setzen. Deutschland läuft Gefahr, in einen Alptraum zu schlittern. Dass das so ist, weshalb das so ist und was man dagegen tun kann, davon handelt dieses Buch.

Thilo Sarrazin wurde 1945 in Gera geboren. Er studierte Volkswirtschaft in Bonn und arbeitete später als wissenschaftlicher Angestellter in der Friedrich-Ebert-Stiftung. In dieser Zeit trat er der SPD bei. Von 1990 bis 1991 arbeitete Sarrazin für die Treuhandanstalt. Bis 1997 war er Staatssekretär im Ministerium für Finanzen in Rheinland-Pfalz, danach Vorsitzender der Geschäftsführung der Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG). Von 2000 bis 2001 war Sarrazin in leitender Position bei der Deutschen Bahn AG beschäftigt. Von 2002 bis April 2009 war das SPD-Mitglied Sarrazin Finanzsenator im Berliner Senat und anschließend bis Ende September 2010 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Sarrazin stieß immer wieder durch provokant formulierte und kontroverse Thesen zur Sozial- und Bevölkerungspolitik verschiedene gesellschaftliche Diskussionen an.

Leseprobe:

 ©DVA©

Einleitung

 

Alle politische Kleingeisterei besteht in dem

Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.

ferdinand lassalle

 

In den wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch sehr erfolgreichen Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg wuchs in Deutschland der Stolz auf den Fleiß und die Tüchtigkeit seiner Bürger, auf den stetig steigenden Lebensstandard und den immer weiter ausgebauten Sozialstaat. Die vier größeren Wirtschaftskrisen – 1966/67, 1974/75, 1981/82 und zuletzt 2008/09 – haben diesem Stolz und dem Vertrauen in die Solidität des eigenen Wirtschafts- und Sozialmodells wenig anhaben können. Selbst die Auswirkungen der Globalisierung, die Verschiebung der Gewichte in der Welt, die Umweltbelastungen und die zu befürchtenden Folgen des Klimawandels haben den Grundoptimismus der Deutschen – auch wenn sie gerne jammern – bisher nicht nachhaltig beeinträchtigt. Dieser Grundoptimismus und die Jahrzehnte des fast ungetrübten Erfolgs haben aber die Sehschärfe der Deutschen getrübt für die Gefährdungen und Fäulnisprozesse im Innern der Gesellschaft.

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„Deutschland schafft sich ab?“ – welch eine absurde Befürchtung, mögen viele denken, wenn sie dieses solide Land mit seinen 80 Millionen Einwohnern in der Mitte Europas betrachten: die Städte, die Industrie, die Autos, Handel und Wandel, Leben und Treiben … Ein Land aber ist das, was es ist, durch seine Bewohner und deren lebendige geistige sowie kulturelle Traditionen. Ohne die Menschen wäre es lediglich eine geografische Bezeichnung. Die Deutschen aber schaffen sich allmählich ab. Eine Nettoreproduktionsrate von 0,7 oder weniger, wie wir sie seit 40 Jahren haben, bedeutet ja nichts anderes, als dass die Generation der Enkel jeweils halb so groß ist wie die der Großväter. Die Geburtenzahl sank in Deutschland von über 1,3 Millionen jährlich in der ersten Hälfte der sechziger Jahre auf 650 000 im Jahr 2009 ab. Geht das so weiter – und warum sollte sich etwas ändern an diesem Trend, der schon über vier Jahrzehnte anhält –, dann wird nach drei Generationen, also in 90 Jahren, die Zahl der Geburten in Deutschland bei rund 200 000 bis 250 000 liegen. Höchstens die Hälfte davon werden Nachfahren der 1965 in Deutschland lebenden Bevölkerung sein.

Die Deutschen hätten sich damit quasi abgeschafft. Manche mögen dieses Schicksal als gerechte Strafe empfinden für ein Volk, in dem einst SS-Männer gezeugt wurden – nur so lässt sich die zuweilen durchscheinende klammheimliche Freude über die deutsche Bevölkerungsentwicklung erklären. Andere trösten sich damit, dass auch ein kleines Volk leben und überleben kann, und verweisen auf Dänemark mit seinen rund 5 Millionen Einwohnern. Deutschland wäre dann eben künftig ein Dänemark auf etwas größerer Fläche. Ginge das nicht auch? Was wäre daran so schlimm? Es würde vielleicht gehen, wären da nicht die qualitativen demografischen Verschiebungen jenseits der schieren Nettoreproduktionsrate sowie die Armutsmigration und der Bevölkerungsdruck über die Grenzen hinweg.

Vernünftig diskutiert haben wir über die demografische Entwicklung in Deutschland in den letzten 45 Jahren nicht. Wer nicht mit im Strom der Beschwichtiger und Verharmloser schwamm, wer sich gar besorgt zeigte, der musste bald frustriert erkennen, dass er alleine stand, und nicht selten fand er sich in die völkische Ecke gestellt. Abgesehen davon befindet sich der gesellschaftliche Diskurs in Deutschland in einem merkwürdigen Widerspruch: Einerseits ist die öffentliche Diskussion geprägt von Unterhaltungslust und dem Vergnügen an Skandalisierungen, andererseits ist sie zunehmend von den Euphemismen der politischen Begrifflichkeit beherrscht:

 – Über die Folgen des Geburtenrückgangs durfte man Jahrzehnte überhaupt nichts sagen, wenn man nicht unter völkischen Ideologieverdacht geraten wollte. Das hat sich inzwischen geändert, da die Generation der Achtundsechziger Angst um ihre Rente bekommen hat. Aber jetzt ist es 40 Jahre zu spät.

 – Die sozialen Belastungen einer ungesteuerten Migration waren stets tabu, und schon gar nicht durfte man darüber reden, dass Menschen unterschiedlich sind – nämlich intellektuell mehr oder weniger begabt, fauler oder fleißiger, mehr oder weniger moralisch gefestigt – und dass noch so viel Bildung und Chancengleichheit daran nichts ändert. Da dieser Grundsachverhalt geleugnet wurde, war jeder Diskussion über die zahlreichen Fehlsteuerungen des Sozialstaats der Boden entzogen. Es war tabu, darüber zu reden,

  •   dass man zwar 90 Prozent der Schüler einer Jahrgangsstufe zur Hochschulreife führen kann, aber dennoch nicht einmal 10 Prozent von diesen den Anforderungen eines Mathematikstudiums gewachsen sind
  •   dass wir als Volk an durchschnittlicher Intelligenz verlieren, wenn die intelligenteren Frauen weniger oder gar keine Kinder zur Welt bringen
  •  dass der Einzelne selbst für sein Verhalten verantwortlich ist und nicht die Gesellschaft.

 

©DVA©

Literaturangabe:

SARRAZIN, THILO: Deutschland schafft sich ab. DVA, München 2010. 464 S., 22,99 €.

Weblink:

DVA


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