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Die „Andersartigkeit“ der Ostdeutschen

Jana Hensels Sachbuch „Achtung Zone“

© Die Berliner Literaturkritik, 07.12.09

Von Frauke Kaberka

Was erwartet man von einem Buch mit dem Titel „Achtung Zone: Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten?“ Zumindest eine Antwort. Doch die gibt es nicht in dem jüngsten Werk der Autorin Jana Hensel.

Klar doch, der Titel macht durchaus neugierig. Und sicher nicht nur Ostdeutsche, sondern alle, die 20 Jahre nach dem Mauerfall erfahren möchten, wie und warum die Wahl-Berlinerin den Ex-DDRlern das freiwillig abgelegte Zonenkorsett wieder anziehen möchte. Damit kein Irrtum aufkommt: Hensel will nicht die DDR zurück. Aber sie ist der Meinung, dass den Ostdeutschen nach der Wende ihr DDR-Gefühl, ihre Identität abhandengekommen ist –sofern sich die Menschen im gleichmachenden Arbeiter- und Bauernstaat denn eine eigene bewahrt haben.

Was einigermaßen befremdet: Denn wer sich seine Persönlichkeit in 40 Jahren real-existierenden Sozialismus erhalten konnte, der wird sie doch nicht wegen Arbeitslosigkeit, einer kostenexplodierenden Gesundheitspolitik oder hoher Mieten abstreifen und dann hilflos zurückschauen. Ostdeutsche Verdienste würden vom Westen auf Aufstände (1953) und Revolutionen (1989) reduziert, nörgelt die 1976 geborene Autorin und verurteilt die „Erinnerungsindustrie“ im Jubiläumsjahr 2009.

Zudem sei die ostdeutsche Sprache in 20 Jahren deutscher Einheit auf der Strecke geblieben. Was vielleicht auf den einen oder anderen zutreffen mag, ist für andere Ostdeutsche eine Beleidigung ihrer Intelligenz, wenn die Verfasserin des Erfolgsbuches „Zonenkinder“ (2002) jetzt schreibt: „Die Menschen im Osten haben ihre Sprachlosigkeit gegen die Sprache der Medien eingetauscht.“ Und das ist ein weiterer Schwachpunkt des Buches, wie auch der Titel schon vermuten lässt: Mit einer an Arroganz grenzenden Selbstverständlichkeit beschwört Hensel das ostdeutsche „Wir“. Sie suggeriert einen zu Honeckers Zeiten vielleicht gewollten, in diesem Ausmaß aber nie dagewesenen Kollektivismus. Und vor allem, warum ist der denn erstrebenswert? Sie stellt selbst die Frage: „Wo beginnt das Kollektive, wo hört das Individuelle auf?“ Und findet – wenn überhaupt - meist doch nur kollektive Antworten. Welch eine Anmaßung.

Ihr Buch bietet eine Menge Angriffspunkte. Angefangen beim Titel, denn „anders bleiben“ ist semantisch falsch, wenn sich die Menschen im Osten doch angeblich schon so verändert haben, nach 20 Jahren Freiheit enttäuscht sind und sich orientierungs- und heimatlos fühlen. Ausdruck und Sprache weisen Schwächen auf. Die sechs Kapitel lesen sich zäh und langweilig. Der gesamte trübsinnige Stil nervt und ist deprimierender als die - laut Hensel - triste oder mit Parkhäusern verschandelte ostdeutsche Landschaft. Hinzu kommen überflüssige Klischees und Pauschalisierungen.

Vor allem aber ist der Inhalt angreifbar. Man fragt sich schon bald, was die gebürtige Leipzigerin, die zur Wendezeit gerade mal 13 Jahre alt war, mit ihrem neuen Sachbuch eigentlich sagen will, warum sie bei durchaus angebrachter Kritik das 20-jährige Bemühen nach einem Zusammenwachsen der Deutschen mit einer derart freudlosen, ja bitteren Betrachtungsweise unterwandert. Und es stellt sich die Frage, an wen das Buch eigentlich gerichtet ist. Garantiert nur wenige der von Hensel vereinnahmten Ostdeutschen werden ihr folgen -so wenig wie die Autorin dieses Beitrags, die selbst rund 30 Jahre in der DDR gelebt hat.

Literaturangabe:

HENSEL, JANA: Achtung Zone: Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten. Piper Verlag, München 2009. 190 Seiten, 14,95 €.

Weblink:

Piper Verlag

 

 


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