Werbung

Werbung

Werbung

„Die Bücher überleben uns!“

Prominente ehren Verleger Klaus Wagenbach im Berliner Ensemble

© Die Berliner Literaturkritik, 21.06.10

Von Wilfried Mommert

BERLIN (BLK) - Wenn der „meistvorbestrafte deutsche Verleger“, wie sich Klaus Wagenbach gerne selbst nennt, 80 Jahre alt wird, dann kommen sie alle. Am Sonntag (20.6.) versammelten sich im Berliner Ensemble am Bertolt-Brecht-Platz noch einmal zahlreiche prominente Freunde und Weggefährten zur (etwas verfrühten) Gratulation. Der Jubilar selbst feiert erst am 11. Juli seinen runden Geburtstag.

Gekommen waren nicht nur Literaturnobelpreisträger Günter Grass (mittlerweile selbst über 80) und Verleger wie Michael Krüger, Inge Feltrinelli oder Christoph Links, sondern auch Schauspieler wie Otto Sander, Sophie Rois und Hanns Zischler, Grips-Theaterleiter Volker Ludwig und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Und natürlich Otto Schily, früher Innenminister (SPD), vor allem aber im Leben Wagenbachs als Rechtsbeistand in zahlreichen Prozessen unverzichtbar.

Sie alle lasen, musikalisch begleitet von der Swing-Band von Andrej Hermlin (sein Vater Stephan Hermlin gehört zu den Autoren Wagenbachs), aus Wagenbachs neuem Buch „Die Freiheit des Verlegers“ mit seinen Erinnerungen und zahlreichen Texten aus seiner zunächst West-Berliner Verlagsgeschichte seit Mitte der 60er Jahre. Wagenbach wird in Branchenkreisen auch liebevoll „Kafkas dienstälteste Witwe“ genannt, weil er zahlreiche Bücher über Franz Kafka geschrieben hat.

Der Chefdramaturg des früheren Brecht-Theaters am Schiffbauerdamm, Hermann Beil, nannte Wagenbachs Erinnerungen ein „höchst unterhaltsames Lebenspanorama und lehrreiches Geschichtsbuch über deutsche Verhältnisse“ und fügte hinzu: „Die Freiheit des Verlegers ist auch unsere Freiheit!“

Sophie Rois sprach über die Kindheit und Familiengeschichte des Verlegers, der sich stets an die Inschrift über der Haustür seines Großvaters aus dem Matthäus-Evangelium erinnerte: „Und wenn alle mitmachen - ich nicht“ (ein Motto, das auch der Publizist und Verleger-Kollege Joachim Fest seinen Memoiren gab). Dementsprechend verlief dann auch das Leben des Enkels Klaus Wagenbach, der meinte: „Ich bekam öfter was auf die Schnauze. Aber ich habe zurückgekläfft.“

Die italienische Verlegerin Inge Feltrinelli rief Wagenbach „Eviva Klaus!“ entgegen und erinnerte daran, dass er in Italien „ein sehr beliebter Deutscher“ sei, nicht nur als Angehöriger der „Toskana-Fraktion“, sondern vor allem, weil er viele italienische Autoren in Deutschland bekannt gemacht habe.

Grass las aus dem Kapitel, in dem sich Wagenbach an sein erstes Erscheinen in der legendären Autorenvereinigung „Gruppe 47“ Ende der 50er Jahre erinnert, wo Grass auch erstmals ein Kapitel aus der „Blechtrommel“ vorlas. Wagenbach behauptet übrigens, dass Grass seine kurzzeitige Zugehörigkeit zur Waffen-SS als Jugendlicher Ende des Zweiten Weltkrieges später keineswegs verschwiegen habe. Als er, Wagenbach, an einer Grass-Monographie gearbeitet habe, hätte Grass ihm 1963 in Gesprächen freimütig von seinen letzten Kriegstagen und -erlebnissen Anfang 1945 erzählt und davon gesprochen, dass er zur Kompanie eines Panzerregiments zuerst nach Schlesien und dann nach Berlin zur „Gruppe Steiner, SS“ gekommen sei.

Ein nachdenkliches Schlusswort sprach der Jubilar dann selbst, als er über die Zukunft der Buchbranche laut nachdachte und meinte, diese Frage könnten wohl nur die Enkel beantworten, die heute und wohl immer mehr vor den Computern säßen. „Vielleicht geht einer von ihnen in späteren Jahren einmal auf den Dachboden und findet ein Buch, in dem er blättert, weil er mit dem daneben liegenden digitalen Datenträger nichts anfangen kann, weil der Server längst nicht mehr funktioniert. Und er bläst den Staub vom Buch und fängt an, darin zu lesen, wenn er noch lesen kann. Und er wird immer neugieriger und bestaunt die Anmerkungen und Lesezeichen im Buch. Also, die Bücher überleben uns, ganz sicher, versprochen!“

Literaturangabe:

WAGENBACH, KLAUS: Die Freiheit des Verlegers. Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2010. 320 S., 19,90 €.

Weblinks:

Verlag Klaus Wagenbach

Berliner Ensemble

BLK-Notizblock

Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: