Werbung

Werbung

Werbung

Die Einsamkeit in unserer Zeit

Erzählerische Leichtigkeit und postmoderne Elemente in Jonathan Coes Roman

© Die Berliner Literaturkritik, 14.04.11

Coe, Jonathan: Die ungeheuerliche Einsamkeit des Maxwell Sim, Roman (en. Original: The Terrible Privacy of Maxwell Sim). Aus dem Englischen von Walter Ahlers, DVA, November 2010, 416 S., 22,99 €.

Von Sandra Fluhrer

„Maxwell Sim – Sim, wie die SIM-Karte.“ So stellt sich der Ich-Erzähler in Jonathan Coes neuem Roman „Die ungeheuerliche Einsamkeit des Maxwell Sim“ neuen Bekanntschaften gerne vor. Keine Frage, wir haben es mit einer Erzählung über unsere Zeit zu tun. Vielflieger, Facebook, Starbucks und Hybridauto prägen die Welt, in der Maxwell Sim sich bewegt – und er kommt dabei weit herum. Innerhalb dieses modernen Lebens, das scheinbar immer unüberschaubarer wird, ist Maxwell Sim vor allem eines: einsam.

Episodenhaft und mit Leichtigkeit lässt Jonathan Coe seinen 48-jährigen Ich-Erzähler von seinen einsamen Reisen zwischen Sydney, London, der englischen Provinz und den schottischen Highlands berichten. Sim erfährt dabei nicht nur viel über sein eigenes Land und dessen zunehmend technologisierte Gesellschaft, sondern reist vor allem auch in seine eigene Familiengeschichte und schließlich zu sich selbst.

Alles beginnt am Valentinstag 2009 am Flughafen von Sydney; Max wartet auf den Rückflug nach England. In Australien hat er seinen dorthin ausgewanderten Vater besucht, dessen emotionale Distanz zu Max etwa von London bis Sydney reicht – in Vor-Facebook-Zeiten gedacht. Max ist einsam und erholt sich zudem gerade von einer Depression. Ein einträchtig kartenspielendes Mutter-Tochter-Paar in der Wartehalle des Flughafens weckt Sehnsucht nach nie gekannter Vertrautheit in Max und erinnert schmerzhaft an das Zerbrechen seiner eigenen Familie. Allein, der Sydney-Trip war ein Geschenk seiner Frau zu deren Auszug.

Unterstützen Sie dieses Literaturmagazin: Kaufen Sie Ihre Bücher in unserem Online-Buchladen - es geht ganz einfach und ist ab 10 Euro versandkostenfrei! Vielen Dank!

Nach einer ereignisreichen Heimreise nach Watford, nahe London, überredet Max’ einziger Freund Trevor ihn an einer Promotion-Aktion für umweltfreundliche Zahnbürsten teilzunehmen, die Max mit einem Hybridauto auf die Shetland-Inseln führen soll. Auf seiner Reise quer durch Großbritannien trifft Max alte und neue Bekannte, sinniert über die britische Gesellschaft und verliebt sich in seiner Einsamkeit in sein Navigationsgerät, das ihm treue Dienste erweist. Immer mehr fühlt er sich dabei an Donald Crowhurst erinnert, den britischen Einhandsegler, der 1968 bei dem Versuch einer Weltumseglung allmählich wahnsinnig wird und sich schließlich das Leben nimmt.

Dass sich der Roman dem postmodernen Erzählen verschrieben hat, wird durch zahlreiche kurze Erzählungen in der Erzählung, popkulturelle Anspielungen und metafiktionale Leseransprachen schnell deutlich. Coe beherrscht die Technik des Zusammenfügens und Verwebens von Erzählsträngen und Binnenerzählungen und erwirkt nicht zuletzt durch sie die erzählerische Leichtigkeit, die ihm oft attestiert wird. Es erscheint daher befremdlich und beinahe nicht mehr zeitgemäß, wenn Coe sich im letzten Kapitel plötzlich selbst in das Romangeschehen eingreifen lässt. Trotz dieses finalen Schnitzers bleibt „Die ungeheuerliche Einsamkeit des Maxwell Sim“ ein berührendes und unterhaltsames Buch über unsere Zeit zwischen Einsamkeit und Dauerkommunikation.

Weblink: DVA


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: