Werbung

Werbung

Werbung

„Die Furtwänglers“

Eberhard Straubs episches Porträt einer schillernden Familie

© Die Berliner Literaturkritik, 05.01.09

 

Von Elisabeth Werthern

HAMBURG (BLK) – Schon lange zählen die Furtwänglers zu den schillerndsten Familien in Deutschland. Sie waren Bauern und Bildungsbürger, Archäologen und Philologen, Künstler und Bohemiens. Der derzeit bekannteste Spross dieser Familie ist die Ärztin und Schauspielerin Maria Furtwängler, die mit dem Münchner Verleger Hubert Burda verheiratet ist. Wer sich aber von dem Buch des habilitierten Historikers Eberhard Straub „Die Furtwänglers. Geschichte einer deutschen Familie“ allerhand Neuigkeiten und umfassende Details über das Leben der prominenten Schauspielerin erhofft, wird herb enttäuscht werden. Die „Tatort“-Kommissarin wird lediglich am Schluss des Buches und nur ganz nebenbei erwähnt.

Straubs Werk ist keine klassische Familienbiografie, zumal der Autor viel Wichtiges aus 200 Jahren Familiengeschichte en passant streift. Die einzelnen Lebensstationen erscheinen oft nur untergeordnet gegenüber den Befindlichkeiten und der geistigen Verankerung der geschilderten Personen in ihrer jeweiligen Zeit. Straubs hauptsächliche Bestrebung scheint zu sein, anhand des Lebens und des Wirkens Einzelner aus dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis der Furtwänglers den Verfall des (Bildungs-)Bürgertums schlechthin darzustellen. Im Idealfall sollte der Leser deshalb schon bereit sein, sich bei der nicht immer leichten Lektüre auch mit philosophischen Textpassagen auseinanderzusetzen.

Das Buch setzt ein mit der Vita von Wilhelm Furtwängler, der von 1809 bis 1875 lebte und vom Waldbauernbub zum Gymnasialdirektor aufstieg. Die klassische Altertumswissenschaft war für ihn ein Mittel, um in die bürgerliche Gesellschaft, zu Besitz und Bildung aufzusteigen. Der größte Teil des Buches ist allerdings dessen gleichnamigem Enkel, dem berühmten Dirigenten und Komponisten Wilhelm Furtwängler (1886-1954) gewidmet. In den 1920er Jahren galt er als führender Kapellmeister Deutschlands. Er machte eine glänzende Karriere als Leiter der Philharmonischen Orchester, vor allem in Berlin, aber auch in Wien und London.

Straub schlägt immer wieder gern den Bogen zu literarischen Geistesgrößen, zitiert unter anderem Schiller und Goethe, oder er beruft sich auf Kleist: „Wenn Wilhelm Furtwänglers Symphonien und Sonaten auch noch nicht den späten Nachruhm fanden wie Kleists Dramen und Novellen, so wurde er doch zu Lebzeiten weltberühmt und sogar wohlhabend.“ Insbesondere mit Blick auf den Wertehorizont und die Lebensumstände des Dirigenten schildert der Autor, wie sich die Welt des 19. Jahrhunderts allmählich auflöste und das deutsche Bildungsbürgertum zerfiel.

Breiten Raum nimmt in dem Buch die Rolle des Dirigenten während der NS-Zeit ein, wobei nichts Neues enthüllt wird. „Die Nationalsozialisten waren zynisch genug, selber zu bestimmen, wen sie für einen Antifaschisten hielten. Furtwängler schätzten sie nie als solchen ein. Sie haben ihn freilich auch nie als Nationalsozialisten begriffen, was er ja tatsächlich auch nicht war. Er lief halt so mit als etwas zweifelhafte Existenz, was bei einem Künstler aus der Kategorie der ‚Gottbegnadeten’ nicht allzu schwer ins Gewicht fiel. Adolf Hitler hielt Musiker ohnehin für charakterschwach“, schreibt Straub.

Literaturangaben:
STRAUB, EBERHARD: Die Furtwänglers. Geschichte einer deutschen Familie. Pantheon Verlag, München 2008. 352 S., 12,95 €.

Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: