Von Elmar Stephan
SATERLAND (BLK) - „Der kleine Prinz“ des französischen Autors Antoine de Saint-Exupéry gehört zur Weltliteratur. Gretchen Grosser sorgte dafür, dass die herzergreifende Geschichte des Piloten, der in der Sahara notlanden musste und dabei auf den kleinen Prinzen trifft, auch auf Saterfriesisch erschienen ist. „150 Stunden habe ich für die Übersetzung gebraucht“, sagt die 74-Jährige, die bereits zahlreiche Schriften in ihrer Muttersprache veröffentlicht hat.
„Bitte ... zeichne mir ein Schaf!“, mit diesen Worten spricht der kleine Prinz den notgelandeten Piloten und Erzähler an. Auf saterfriesisch lautet der Satz: „Bääst du so goud? Moal mie daach een Skäip!“ Und der berühmte Ausspruch „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“ lautet auf Saterfriesisch: „Man sjucht bloot mäd dät Haat goud. Dät Upperste is foar do Ogene nit tou sjoon.“
Nur noch knapp 2500 Menschen sprechen heute Saterfriesisch – damit gilt dieses letzte Überbleibsel des Ostfriesischen als die kleinste lebende Sprache Europas. Die Ostfriesen wechselten bereits im Mittelalter zum Niederdeutschen. Nur im Saterland, im Nordwesten des Kreises Cloppenburg, überlebte die Sprache, erläutert der Sprachwissenschaftler Marron C. Fort. Der gebürtige Amerikaner spricht unter anderem fließend Deutsch, Niederländisch, Plattdeutsch und Saterfriesisch. 1980 veröffentlichte er erstmals ein Saterfriesisches Wörterbuch. Auch eine Übersetzung des Neuen Testaments auf Saterfriesisch stammt aus seiner Feder.
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war das Saterland praktisch von der Außenwelt abgeschnitten; es war wie eine Insel im Moorgebiet. Wahrscheinlich blieb das Friesische deshalb bis heute erhalten, vermutet Fort. Heute allerdings droht dieses alte Kulturerbe auszusterben.
Nach dem Krieg wuchs die Einwohnerzahl des Saterlands rasant auf mittlerweile 13 000 Menschen. „In den 1990er Jahren haben wir allein 1500 Neubürger aus Kasachstan aufgenommen, die sprechen naturgemäß kein Saterfriesisch“, sagt Samtgemeindebürgermeister Hubert Frye. Der Heimat- und Mühlenverein im Saterland pflege jedoch die Sprache, unter anderem mit Radiosendungen im regionalen Bürgerfunk auf Saterfriesisch.
Die Lehrerin Johanna Evers setzt sich ebenfalls dafür ein, dass die Sprache nicht ausstirbt. Bislang werde sie nur in einer Grundschule unterrichtet, sagt Evers. „In den anderen drei Grundschulen wird Saterfriesisch nur als freiwillige Arbeitsgemeinschaft in den Randstunden angeboten. Die Kinder haben Friesisch, während ihre Klassenkameraden schon nach Hause gehen können.“ An ihrer Realschule bietet sie die Sprache als Wahlpflichtfach an.
Auch in den Kindergärten werde sie spielerisch vermittelt, von Ehrenamtlichen eine Stunde pro Woche. „Aber die Eltern möchten in vielen Fällen oft nicht, dass ihre Kinder Saterfriesisch lernen“, sagt die Pädagogin. Sie befürchteten, die Kinder zu überfordern. Evers hält diese Sorge für unbegründet und verweist auf Erkenntnisse der Sprachwissenschaft, wonach mehrsprachig aufgewachsene Kinder besser in der Schule sind als ihre einsprachigen Altersgenossen.
„Es ist wichtig, dass die Sprache auch zu Hause gesprochen wird“, sagt Karl-Peter Schramm, ebenfalls Saterfriese und Präsident des „Europäischen Büros für Sprachminderheiten“ in Deutschland. Er wünscht sich auch, dass die Sprache in der Gemeinde sichtbarer wird. Es gibt zwar seit 2002 zweisprachige Ortsschilder. Aber sonst deutet im Straßenbild der vier Gemeinden des Saterlands nicht viel darauf hin, im letzten friesischen Sprachgebiet Niedersachsens zu leben.
Dass das Saterfriesische weiterexistiert, ist auch ein Herzenswunsch von Fort, der vor vielen Jahrzehnten als junger Forscher ins Saterland kam und die Sprache von den Alten lernte. „Ich liebe diese Sprache, ebenso wie das Plattdeutsche“, sagt der Sprachwissenschaftler.