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Die öffentliche Schatzkammer

Hildegard Viereggs „Geschichte des Museums“

© Die Berliner Literaturkritik, 22.12.08

 

Das Sammeln und die Zurschaustellung von Objekten, so der einleitende Satz dieses Werkes, sei eine ureigene menschliche Eigenschaft. Das mag auf den ersten Blick so scheinen, verifiziert werden kann diese Aussage aber nicht. So gibt es doch genügend Beispiele anderer Kulturformen, die eben jene bewahrenden und prätentiösen Tätigkeiten als störend oder behindernd für ihren gesellschaftlichen Kontext begreifen. Für diejenigen aber, die Interesse am Sammeln und Herzeigen haben, lohnt sich ein Blick in dieses historische Unterfangen, das der Wilhelm Fink Verlag hier vorlegt.

Professor Dr. Hildegard Vieregg aus München ist eine internationale Koryphäe im Rahmen der Museumswissenschaften, dementsprechend zeigt sie sich zurecht für diese Zusammenstellung verantwortlich. Beginnend bei den Schatzhäusern der griechischen Antike, über die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance bis hin zur Differenzierung in die unterschiedlichsten Museumstypen der Gegenwart führt uns dieses Werk. Gerade die aktuellen Variationen der Ausstellungshäuser werden in ihrer modernen Mannigfaltigkeit vortrefflich repräsentiert: Militär-, Revolutions-, Literatur-, Freilicht-, Kunst-, Meeres- oder Technikmuseen sind nur ein kleiner Teil der hier versammelten Sammlungen. Wissenschaftlichen Ansprüchen genügt dieses Buch zweifelsfrei. Eine nüchterne, spezialisierte Sprache, eine umfassende Beschreibung und die entsprechenden Literaturbelege lassen das Werk formal in vollständiger Ordnung erscheinen. Dagegen werden prosaisch anspruchsvolle Liebhaber gedruckten Textes ebenso wie ordnungs- und strukturliebende Interessierte ihre Probleme bekommen. Und genau das ist das große Manko dieses Buch. Es ist schwer zu lesen und noch schwerer zu erfassen.

Das Inhaltsverzeichnis und die grundsätzliche Struktur sind simpel, eine epochale Gliederung macht den ersten Teil dieses Buches aus, eine museumstypische den zweiten Teil. Abgesehen von der leider charakteristischen, europäischen Zentrierung, die zwar in Einleitung und Klappentext zumindest verbal angegangen wird, dann aber im weiteren Verlauf des Buches nur marginal negiert wird, ist die Auflistung umfassend und für Historiker sehr hilfreich.

Das Manko aber bleibt die sprachliche Umsetzung. Die ohnehin schon kleine Schriftgröße wird durch eine Vielzahl von Kursivwörtern und Zitaten eher verschlechtert als verbessert. Dazu springt die Autorin zwischen wichtigen Personen, Zeiten und Fachbegriffen hin und her wie ein Flummiball, der wahllos an die Zimmerwand geworfen wurde. Häufig hat man als Leser/Leserin das Gefühl, nicht folgen zu können, zu selten wird ein Gedanke zu Ende gebracht und so einfach logisch weiterverfolgt, dass auch der Nichtwissenschaftler ihn problemlos aufnehmen könnte. Inhaltlich ist die große Fragwürdigkeit dieses Werkes die Behauptung, dass zeitgeschichtliche Dokumentationen, wie die des Nationalsozialismus, nicht im engeren Sinne zu den Museen zählen können, weil Dokumentationen im Gegensatz zu Museen am Ort des Geschehens entstehen und zudem häufig eine negative oder abschreckende Wirkung haben sollen. Das ist weder eindeutig belegbar und zudem höchst diskussionswürdig, es gibt ja genügend klassische Museen an Ort und Stelle, genauso wie es wohl dem persönlichen Habitus des Konsumenten geschuldet ist, ob die gezeigten Objekte abschreckend oder begeisternd aufgenommen werden.

Unterm Strich ist dieses Buch wohl für Wissenschaftler absolut ausreichend, es beinhaltet all diejenigen Informationen, die versprochen wurden und vom Rezipienten erwartet werden. Als interessierter Laie an historischen Aufzählungen, Überblicken und Zusammenfassungen ist dieses Buch aber leider fast schon untauglich. Bezeichnend dafür ist die chronologische, tabellarische Auflistung der Museumsgeschichte im Anhang, die zwar wiederum vollständig ist, aber ebenso schwer zu verdauen wie der Rest des Buches.

Lateinisch ist der Ursprung des Wortes Museum, das ins Deutsche übersetzt so viel heißt wie „Ort des gelehrten Tuns“. Nun denn, hier haben wir es mit einem wahrhaftig sehr gelehrten Ort zu tun. Vielen allerdings wird die „Geschichte des Museums“ zu gelehrt, zu kompliziert und zu wenig unterhaltend erscheinen.

Von Marco Gerhards

Literaturangaben:
VIEREGG, HILDEGARD: Geschichte des Museums. Eine Einführung. Wilhelm Fink Verlag, München 2008. 343 S., 39,90 €.

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