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Kraussers Suche nach dem Glück

Helmut Krausser beschreibt „Die letzten schönen Tage“

© Die Berliner Literaturkritik, 10.05.11

KRAUSSER, HELMUT: Die letzten schönen Tage, Dumont Verlag, Köln 2011, 224 S., 19,99 €.

Von Christina Horsten

Der Buchdeckel wirkt dramatisch: „Die letzten schönen Tage“ steht in blassen Buchstaben im schwarzgrauem Himmel, darunter rollt die weiße Gischt einer Welle an den Strand. Innen ist der neue Roman von Helmut Krausser anders - auch nachdenklich, aber viel weniger melancholisch. Diesmal geht es nicht um den Komponisten Giacomo Puccini, dem Krausser in den vergangenen Jahren gleich mehrere Bücher gewidmet hat, sondern um das zweite Lieblingsthema des produktiven deutschen Schriftstellers: Dem zwischenmenschlichen Beziehungsdschungel.     

Im Zentrum des Geschehens steht das Liebespaar Serge und Kati. Serge hat Stress in seinem Job als Werbetexter, Kati eine Affäre mit seinem Kollegen, dem Fotografen David. Davids Mutter Jule wiederum hat Knatsch mit ihrer ehemaligen Kollegin und lesbischen Freundin Lisbeth und Davids Bruder Arved ein Problem mit seiner pubertierenden Tochter Becky. Ein weitverzweigtes Beziehungsgeflecht, das in Kraussers Mischung aus Episoden- und Tagebuchroman immer nur angerissen wird, und am Ende wieder am Anfang ankommt. Das hält die Spannung des geistreichen und unterhaltsamen Romans zwar hoch, frustriert aber auch, denn gerade die vielversprechendsten Erzählstränge werden oft nicht wieder aufgenommen.

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Jule beispielsweise, die der 46-jährige Krausser erst in aller Ausführlichkeit und mit boshaftem Blick auf Details einführt: „Halt! Eine Leidenschaft besaß Jule ja doch, das war jene, ständig darüber nachzudenken, welches Gefahrenpotenzial ihr (oder ihrem anstrengenden Kater) drohte, ob von Thrombosen, Einwanderungsbehörden, Alligatoren oder Haien. Nur die konkreteste Gefahr, nämlich die Mettwurst auf ihrem Brötchen, übersieht sie geflissentlich.“ Bei einer Reise nach Florida wird Jule von ihrer ebenfalls pensionierten lesbischen Freundin Lisbeth sitzengelassen. Nur ihr Kater Johnson bleibt ihr treu - so sehr, dass er während der Abwesenheit seines Frauchens nichts isst und schließlich verhungert. Die ungewöhnliche Geschichte von Jule und Lisbeth weckt Interesse, aber Krausser lässt alle Hintergründe offen.

Stattdessen konzentriert er sich auf Serge und Kati, die sich, nachdem Serge bei der Arbeit einen psychischen Zusammenbruch erlitten hat, eine Auszeit auf Malta nehmen. In tagebuchartigen Kapiteln beleuchtet Krausser ihre Beziehung von beiden Seiten - sie ist schwierig, aber schon im Ansatz weit weniger originell als beispielsweise die von Lisbeth und Jule. Ein Problem, das Krausser seinen Protagonisten Serge selbst kritisieren lässt: „Irgendwann dann wußte ich alles, und die Sätze, sogar in den guten Büchern, die Sätze, die sich so viel Mühe gaben, originell zu wirken, die oft kunstvoll gedrechselt waren und raffiniert ausgedacht, wurden schlaff und redundant, zielten alle auf denselben Schluss: Genieße dein Dasein, es ist kurz, füttre den Hund, und gib dem Bettler Geld.“

Weblink: Dumont Verlag

 

Schriftsteller Krausser: „Glück ist Glückssache“

Gespräch: Christina Horsten

KÖLN (BLK) - Helmut Kraussers neustes Werk „Die letzten schönen Tage“ ist sein fünfter Roman in fünf Jahren. Daneben hat Krausser Lyrik, Hörspiele und Teile seiner Tagebücher veröffentlicht. „Die letzten schönen Tage“ ist ein Episodenroman über zwischenmenschliche Beziehungen und deren Zerbrechlichkeit. Trotz des melancholischen Titels: „Zu Traurigkeit und Resignation gibt es keinen Grund“, sagt der Schriftsteller in einem Kurz-Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.

„So heruntergekommen ist Deutschland“ übertitelte eine Zeitung die Besprechung ihres 2009 erschienenen Romans „Einsamkeit und Sex und Mitleid“. Ihr neues Buch heißt „Die letzten schönen Tage“. Ist Deutschland Ihrer Ansicht nach wirklich so heruntergekommen?

Helmut Krausser: „Jetzt mal ernsthaft: In „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ finden sich ebensoviele Paare, wie sich welche trennen. Mir ging es um ein Kaleidoskop des ständigen Wandels, nicht um ein Sittenbild und schon gar nicht um ein deutsches Sittenbild, erst recht nicht in Form eines moralischen Vorwurfs, dazu bin ich zu sehr Genusshedonist. Auch in „Die letzten schönen Tage“ hängt das Glück der Menschen von vielen Kleinigkeiten ab, die teils weitab ihrer Wahrnehmung stattfinden. Glück ist Glückssache, Teile davon lassen sich aber auch erarbeiten. Zu Traurigkeit und Resignation gibt es keinen Grund. Wohl aber eine Sollbruchstelle für das, was nicht zusammen gehört. Wie alle Künstler seit Ovid fasziniert mich die ständige Verwandlung.“

Sie veröffentlichen seit langem schon jedes Jahr mindestens ein Buch. Was mas macht Sie derart produktiv?

Helmut Krausser: „Schulden.“

Sie gelten bei vielen als einer der besten deutschen Schriftsteller Ihrer Generation in Deutschland. Große Auszeichnungen sind aber bislang ausgeblieben. In welcher Form sollte die Anerkennung für Sie kommen?

Helmut Krausser: „Preisgeld.“

 


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