MÜNCHEN (BLK) – Im Januar 2009 ist im Riemann Verlag das Buch „Wo zum Teufel steckt Osama bin Laden?!“ von Morgan Spurlock erschienen.
Osama bin Laden ist ein Mythos und gilt vielen als die Verkörperung des Bösen schlechthin. Morgan Spurlock beschloss Ernst zu machen und die Welt von dieser terroristischen Gefahr zu befreien. Wo aber versteckt sich Osama bin Laden? Quer über den Globus, durch Frankreich, Ägypten, Israel, Saudi-Arabien, Afghanistan bis ins Herz der Finsternis, nach Pakistan, verlief seine Suche nach dem bärtigen Super-Terroristen. Er interviewte Menschen aus allen Lagern: islamische Fundamentalisten, westliche Antiterrorexperten, Mudjaheddin und den Erbauer des israelischen Schutzwalls. Und er begegnete vielen „einfachen“ Menschen, lernte ihre Freundlichkeit kennen, ihre Nöte, Ängste und Träume. Am Ende steht ein tieferes Verständnis für die Ursachen des „Kulturkampfs“ zwischen dem Westen und dem Islam. Vor allem die Einsicht, dass es am Westen selbst liegt, die Wende zum Besseren herbeizuführen. Morgan Spurlock („Super Size me“) ist in der Medienlandschaft eine einzigartige Gestalt. Furchtlos wie Günter Wallraff, entlarvend komisch wie Michael Moore und engagiert wie Al Gore, gelingt es ihm immer wieder, Menschen zu öffnen und Barrieren zu überwinden.
Morgan Spurlock ist ein vielfach ausgezeichneter Schriftsteller, Produzent und Regisseur. Seine Dokumentation „Super Size Me“ (2004) wurde auf verschiedenen Festivals mit Preisen überhäuft. Weitere erfolgreiche Filme sind „What Would Jesus buy?“ und „30 Days“. In seinem Bestseller-Buch „Don't Eat this Book“ befasste er sich wieder mit der Ernährungsproblematik. Er lebt in New York, ist verheiratet und Vater eines Sohns. (jud)
Leseprobe:
© Riemann Verlag ©
Kapitel 1
Terroralarm!
Seit frühester Kindheit muss ich mir vom Fernsehen erzählen lassen, dass ich mich gefälligst zu fürchten habe. Als Kind erlebte ich noch die letzten Jahre des Kalten Krieges. Damals führte man uns den roten Iwan und seine fetten Bomben vor, die grotesken Aufmärsche und den abgrundtiefen Hass der Sowjets auf alles Amerikanische. Als ich dann alt genug war, mir eine eigene Meinung zu bilden, scherte sich schon niemand mehr ernsthaft um die nukleare Bedrohung vonseiten der Kommunisten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1990 dachte ich doch tatsächlich, wir würden fortan unsere Ruhe haben.
Aber mit den freiheitsfeindlichen Russen war die Sache noch lange nicht erledigt. Sicher, die führten die Hitparade jahrelang an, doch uns Amerikanern wurde ja eine Panik vor allen möglichen Gefahren eingeredet. Ich nenne mal ein paar Angstmacher in völlig beliebiger Reihenfolge:
Sowjetische Atombomben, nordkoreanische Atombomben, Kofferbomben, Atomkraftwerke, schmutzige Bomben, Schuhbomben, Pistolen, Sturmgewehre, halbautomatische Waffen, Sarin, Milzbrand, Ebola, E.-coli-Bakterien, Borreliose, die Legionärskrankheit, Pocken, Salmonellen, Denguefieber, die Asiatische Grippe, Vogelgrippe, Schweinegrippe, Yuppiegrippe, der West-Nil-Virus, die Pestizide gegen den West-Nil-Virus, Brustimplantate, AIDS, SARS, ADS, ADHS, TBC, BSE, posttraumatische Belastungsstörung, plötzlicher Säuglingstod, der Millennium-Bug, Elektrosmog, Massenvernichtungswaffen, Aliens, betrunkene Autofahrer, aggressive Autofahrer, Asbest, Quecksilber, Blei, die Ölkrise, Staatsverschuldung, Inflation, Stagflation, Hurrikane, Tornados, Tsunamis, Asteroiden, Erdbeben, Killerbienen, Kampfhunde, die globale Erwärmung, das Ozonloch, Streptokokken, die Stammzellenforschung, genmanipulierte Nahrung, Halloween, vergiftete Schmerzmittel, Sexsucht, Identitätsklau, Passivrauchen, Jugendbanden, Neonazis, Satanisten, Heiden, Sekten, Massenmörder, katholische Priester, Heroin, Kokain, Crack, Methamphetamine, Partydrogen, Ecstasy, Pflegeheime, Krankenhäuser, die grassierende Fettsucht, der grassierende Drogenkonsum unter Jugendlichen, die grassierende Spielsucht unter Jugendlichen, der grassierende Sexhunger unter Jugendlichen, Teenagerschwangerschaften, Kinderpornografie, das Verschwinden von Kindern, Gewalt am Arbeitsplatz, Gewalt gegen Senioren, Gewalt im Fernsehen, Gewalt in Kinofilmen, Gewalt in Videospielen, Rap, Rap-Videos, Heavy Metal, Dungeons & Dragons, Snuff-Filme, Pornos im Internet, Starkstromleitungen, explodierende Handys, krebserregende Handys, Handys am Steuer, Pädophile auf MySpace, die Luft, das Wasser, die Erde, Eier, Schinken, Fisch, Erdnüsse, Spinat und Hundefutter.
Im Jahr 2001 erhielt die Angst ein neues Gesicht. In einer beispiellosen Imagekampagne wurde uns der neue Bösewicht präsentiert, der Pate der Angst, der Erzhalunke des Terrorismus: Osama bin Laden. Die Attentate vom 11. September katapultierten uns auf ein Level der Angst und der Paranoia, das ich noch nie erlebt hatte. Zum Teil war die Angst gerechtfertigt – immerhin waren wir erstmals seit Pearl Harbour auf eigenem Grund und Boden von Ausländern attackiert worden. Aber die Panikmache, die nun in den Medien folgte, war noch erschreckender als die eigentlichen Terroranschläge.
Merkwürdig, aber wahr: Wenn man einmal vom Terror der Schlagzeilen absieht, so erfreuen sich die US-Amerikaner eines längeren, gesünderen und sichereren Lebens als je zuvor. Unsere Lebenserwartung ist 60 Prozent höher als vor 100 Jahren. Die Medizin hat alle möglichen Krankheiten besiegt, die früher die Menschen noch dahinrafften. Die Kriminalität in den Großstädten nimmt ab. Im Haus, im Auto, im Flugzeug, im Zug und auf dem Fahrrad sind wir sicherer denn je. Und global betrachtet hat uns seit dem Ende des Kalten Krieges keine größere Militärmacht mehr bedroht. Der 11. September war ein Schock, aber eben kein Atomkrieg.
Trotzdem fühlen wir uns nicht sicherer. In jeder Umfrage bestätigt sich, dass in unseren Augen die Zeiten schrecklicher, die Welt gewalttätiger und die Menschen gefährlicher sind als früher, ja, wir rechnen täglich mit der Apokalypse, können den Schwefel geradezu schon riechen. Wir haben Angst vor Fremden, wir haben Angst vor unseren eigenen Teenagern, wir haben Angst vor Insekten, wir haben Angst vor der Nahrung, die wir essen, dem Wasser, das wir trinken, und der Luft, die wir atmen, wir haben Angst vor dem Fernsehen, Spielfilmen und dem Internet, wir haben Angst vor dem Wetter, und wir haben Angst, dass die Erde stirbt.
Angst ist ein biologisch angelegter Überlebensmechanismus. Doch es gibt eine rationale, nützliche Angst, und es gibt Phobien – unlogische, ungerechtfertigte Ängste vor eingebildeten oder stark übertriebenen Gefahren. Nehmen wir die Angst vorm Fliegen. Das Fliegen ist eine erheblich sicherere Transportform als, sagen wir, das Autofahren. Im Jahr 2004, einem repräsentativen Jahr, starben fast 43.000 Amerikaner im Straßenverkehr. Nur 600 Amerikaner kamen im gleichen Jahr bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Flugzeug zu sterben, liegt bei etwa eins zu zehn Millionen, im Auto dagegen bei eins zu 7.000. Statistisch betrachtet ist man auf einem Flug demnach erheblich sicherer als auf der Fahrt zum Flughafen. (Die Sicherheit des Gepäcks steht natürlich auf einem völlig anderen Blatt.)
Kommen wir zum Terrorismus. Seit dem 11. September hält man uns Amerikaner in ständiger Alarmbereitschaft, sprich Angst, vor Terroristen. Je nach Datenquelle ist die Wahrscheinlichkeit, einem Terroranschlag zum Opfer zu fallen, minimal: Einer Schätzung zufolge liegt sie bei etwa eins zu neun Millionen. 2 Der National Safety Council rechnet vor, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Blitz tödlich getroffen (1 zu 6 188 298) oder von einem Hund zu Tode gebissen zu werden (1 zu 9 089 063), gleich oder gar größer ist. Trotzdem fordert uns der Wetterdienst nicht zum Verlassen des Golfplatzes auf, wenn es zu regnen beginnt, und die Sicherheitsbehörden haben noch keine Maulkorbverordnung für Dackel erlassen.
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Literaturangaben:
SPURLOCK, MORGAN: Wo zum Teufel steckt Osama bin Laden?! Aus dem Amerikanischen von Anne Emmert, Heike Schlatterer. Riemann Verlag, München 2009. 416 S., 17 €.
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