Von Susanna Gilbert-Sättele
Wohl kaum ein deutscher Schriftsteller polarisiert wie Dietmar Dath. Für die einen ist sein neuer, in ferner Zukunft spielender Roman „Die Abschaffung der Arten“ Science Fiction „der besten Machart“, für die anderen überdrehter „Quatsch“.
Gleichwohl ist Daths Vision einer zukünftigen Welt, in der Menschen nur noch als versklavte Gettobewohner existieren und kommunikationsfähige Tiergestalten das Sagen haben, in die engere Auswahl für den Deutschen Buchpreis gewählt worden, der zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 13. Oktober verliehen wird.
Dath, ehemals Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, entwirft mit überbordender Fantasie ein Szenario, in dem im früheren Europa eine posthumane Gesellschaft unter Führung des Löwen Cyrus Golden existiert. Biotechnik und -politik haben es möglich gemacht, Individualität „auf Spritzen zu ziehen“ und jeder Art beliebig einzuimpfen. Die Resultate, „Gente“, also Tierkreuzungen mit der Fähigkeit, über den Geruchssinn friedlich miteinander zu kommunizieren, haben das Sagen, während die Reste der Menschheit, einmal in die evolutionäre Sackgasse geraten, als untergeordnete Spezies belächelt werden. Gefahr droht von jenseits des Atlantiks, denn dort schickt sich ein feministischer Supercomputer mit dem Namen Katahomenleandraleal an, alles zu vernichten, was kreucht und fleucht.
Der Löwenherrscher entsendet als seinen getreuen Heinrich den Wolf Dmitri Stepanowitsch, um die Gefahr zu bannen, einen einsamen Helden, „eifrig, mutig, ausdauernd, mit der richtigen Wut auf alle Hindernisse, scharfen biochemischen Werkzeugen und durchaus gefährlichen Ideen begabt“. Doch auch Dmitri kann die Katastrophe nicht abwenden. Er muss erkennen, „warum den Menschen passiert ist, was ihnen passiert ist“. Nur wenige Gente können dem Fiasko auf der Erde auf den Mond entfliehen. Die Kinder des Wolfes und seiner Geliebten, einer Lüxin, kehren schließlich auf den blauen Planeten zurück, um dort die Schicksalsfäden der Gente wieder aufzunehmen.
Durchdrungen von Ironie und der romantischen Idee, dass eine bessere Welt möglich ist, fabuliert Dath so hemmungslos vor sich hin, dass manche Leser alle Mühe haben, dem Ganzen zu folgen. Es bedarf sehr großer Konzentration, sich in Daths Vorstellungswelt zurecht zu finden, zumal vieles aus seinem Unterbewusstsein zu strömen scheint.
Daher erinnern seine Figuren an Fabelwesen surrealer Kunstwerke oder an bizarre Gestalten aus Computergames. Seine Sprache indes entzieht sich jedem Vergleich: „Die Libelle schnörkelte krakelig in der mit Anisessenz angereicherten Luft herum, teils aus Übermut, teils, damit etwas kinetische Energie verausgabt werde und ihr plastählerner Denkapparat sich nicht überhitzte.“ „Was Literatur kann, ist verspannte Denkmuskeln auflockern“, hat Dath einmal gesagt. Sanfte Berieselungslektüre darf man also nicht erwarten.
Literaturangaben:
DATH, DIETMAR: Die Abschaffung der Arten, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2008, 552 S., Euro 24,80 €.
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