Von Wolfgang Janisch
KARLSRUHE (BLK) - Seit Jahren kämpfen sie um höhere Honorare – nun haben sie vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe einen entscheidenden Durchbruch erzielt: Literaturübersetzer können künftig von den Verlagen deutlich höhere Vergütungen verlangen. Nach einem Urteil vom Mittwoch (7.10.) steht den - bis auf einige Bestseller-Übersetzer - notorisch schlecht bezahlten Übersetzern neben dem branchenüblichen Seitenhonorar auch eine Erfolgsbeteiligung zu. Ab einer verkauften Auflage von 5.000 Exemplaren bekommen Übersetzer fortan im Regelfall 0,8 Prozent vom Nettopreis bei Hardcover-Ausgaben und 0,4 Prozent bei Taschenbüchern.
Hinzu kommt ein sattes Plus bei den sogenannten Nebenrechten, was in Zeiten von E-Books und Hörbüchern eine nicht unerhebliche Rolle spielen dürfte. Laut BGH können die Übersetzer 50 Prozent vom „Nettoerlös“ des Verlags fordern. „Das geht deutlich über das derzeit Übliche hinaus“, freute sich am Mittwoch Hinrich Schmidt-Henkel, Vorsitzender des Verbandes deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke (VdÜ). Derzeit würden bei den Nebenrechten fünf bis zehn Prozent gezahlt.
In dem Pilotverfahren hatten mehrere Übersetzer gegen die Verlagsgruppe Random House geklagt. Bisher erhielten sie pro Manuskriptseite 12 bis 17 Euro, am Erfolg wurden sie nur bei sehr hohen Auflagen beteiligt. Schmidt-Henkel hofft nun im Sinne des „Branchenfriedens“ auf eine gütliche Einigung mit den Verlagen, die Mitte 2008 in letzter Sekunde am Widerstand aus den Reihen der Übersetzer gescheitert war: „Ich bin sehr sicher, dass die Chancen für eine solche Vergütungsregelung gestiegen sind.“
Beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels stieß das Urteil auf Kritik. „Die eingetretene Verteuerung von Übersetzungen führt dazu, dass insgesamt weniger Bücher übersetzt werden können und viele risikoreiche, aber kulturell bedeutsame Titel auf der Strecke bleiben“, warnte Joerg Pfuhl von Random House. Die Verlage würden gezwungen, weniger Experimente zu wagen. Der Münchner Hanser-Verlag sprach von einem „erschreckend ungenauen und unklaren Urteil“.
Mit seiner Entscheidung hat der BGH erstmals das 2002 geänderte Urheberrecht angewandt. Nach Paragraf 32 können Autoren und Übersetzer - wenn die Branchenverbände nicht zu einer Einigung kommen - gerichtlich eine nachträgliche Korrektur geschlossener Verträge durchsetzen, wenn das vereinbarte Honorar „nicht angemessen“ ist. „Wir waren in der ungewöhnlichen Rolle, dass wir eine Art Tarifvertrag festlegen mussten“, sagte der BGH-Senatsvorsitzende Joachim Bornkamm bei der Urteilsverkündung.
Dabei habe sich der Senat an den inzwischen vereinbarten Vergütungsregeln für Autoren orientiert - zehn Prozent für Hardcover und fünf Prozent für Taschenbücher - und die Sätze für Übersetzer entsprechend heruntergerechnet. „Die Erfolgsbeteiligung setzt relativ früh ein, ist dann aber deutlich niedriger.“ Nicht gefolgt ist der BGH der Forderung der Übersetzer, neben dem festen Seitenhonorar schon vom ersten verkauften Buch an eine Erfolgsbeteiligung anzuordnen. Die Verfahren wurden zur abschließenden Entscheidung an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen. (Az: I ZR 38/07 u.a. vom 7.10. 2009)
Nach Angaben Schmidt-Henkels ist die Vergütungssituation für Übersetzer anspruchsvoller Literatur prekär - eine Situation, die der Gesetzgeber mit der Reform des Urheberrechts explizit beseitigen wollte. Allein auf Grundlage der branchenüblichen Seitenhonorare von 15 oder höchstens 20 Euro sei kaum mehr als ein Monatseinkommen von 1000 Euro zu erzielen. „Die allermeisten Literaturübersetzer müssen ihre Arbeit aus einem anderen Einkommen sponsern.“ Dem Verband gehören 1.250 der - geschätzt - rund 2.000 professionellen Literaturübersetzer in Deutschland an.
Auswirkungen könnte das Urteil auch auf die freien Journalisten haben. Nach Angaben des Deutschen Journalistenverbands (DJV) laufen bereits seit 2003 Verhandlungen darüber, welche Vergütung angemessen ist. Die Verhandlungen über die Texthonorare, so der DJV, stehen unmittelbar vor dem Abschluss.
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