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Down-Syndrom

Ludwig Laher über Wunder der Natur

© Die Berliner Literaturkritik, 09.11.09

INNSBRUCK (BLK) – Der Haymon Verlag hat im Herbst 2009 Ludwig Lahers Roman „Einleben“ herausgegeben. Darin wird das Leben eines mit dem Down-Syndrom geborenen Kindes erzählt.

Klappentext: Ginge es nach der Statistik, dann dürfte die kleine Steffi eigentlich gar nicht existieren: Dann hätte ein Arzt im Rahmen des Schwangerenuntersuchungsprogramms die Diagnose Down-Syndrom gestellt und ihrer Mutter Johanna eine Abtreibung nahe gelegt. Doch Steffi, so scheint es, hat diese Logik erfolgreich hintertrieben und ist da, samt ihrem atypischen Chromosom. Das Einleben beider, des etwas anderen Kindes in diese Welt und seiner Mutter in den Alltag mit Steffi samt allen Konsequenzen, die sich daran knüpfen, formt Ludwig Laher zu einem vielschichtigen Roman, einem Geflecht aus eindringlichen Momentaufnahmen, tastenden Reflexionen, unerwarteten Bezügen und überraschenden Wendungen. Ohne moralische Besserwisserei und sentimentale Ungenauigkeiten lädt Laher die Leserschaft ein, ihn auf seiner abenteuerlichen Gratwanderung zu allerlei Wägbarkeiten zu begleiten. Mit der ihm eigenen mitreißenden Diskretion so ein Kritiker über Ludwig Lahers letzten Roman „Und nehmen was kommt“ nähert sich der Autor so einer der großen Herausforderungen, mit denen uns die modernen Wissenschaften konfrontieren.

Seit „Herzfleischentartung“ oder „Und nehmen was kommt“ kennen ihn möglicherweise einige aufmerksame Literaturfreunde: Ludwig Laher, 1955 in Linz geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Klassische Philologie in Salzburg. Der mit dem Doktortitel ausgezeichnete Autor lebt in Oberösterreich und beschäftigt sich des Weiteren mit Prosa, Lyrik, Essays, Hörspielen, Drehbüchern und Übersetzungen. (ros)

Leseprobe:

©Haymon Verlag©

Mehr Männer als Frauen haben nachhaltig Schwierigkeiten mit den von ihnen gezeugten Nichtstandardkindern. Mario ist, alles in allem betrachtet, in dieser Hinsicht kaum etwas vorzuwerfen, denn er bekennt sich vorbehaltlos zu seiner Tochter, liebt sie und hat auch keinerlei Scheu, sich in der Öffentlichkeit mit ihr zu zeigen. Was Johanna an ihm auszusetzen hat, hat damit zu tun, wie er seine Vaterrolle grundsätzlich auffasst und lebt, mit dem speziellen Kind Steffi und seinem Sosein hat das herzlich wenig zu tun. Sehr reserviert zeigt Mario sich allerdings, wenn andere Kinder mit Trisomie einundzwanzig ins Spiel kommen. Ein einziges Mal nur hat Johanna darauf bestanden, er möge sie zum vierteljährlichen Kleinkinder-Treffen der Down-Syndrom-Selbsthilfegruppe begleiten. Es war noch keine halbe Stunde vergangen, als er ihr, und das nicht einmal im Flüsterton, zuraunte, wie arg er das alles finde und daß ihn diese armen Kinder, die teils miteinander oder alleine, teils mit Erwachsenen spielten, so deprimieren würden. Auch für Steffi könne das unmöglich ein aufbauender Umgang sein, die meisten kämen ihm weitaus stärker betroffen vor als sie. Ob sie nicht endlich gehen könnten? Johanna zwang ihn verärgert zum Bleiben, aber als Mario bei der Heimfahrt kopfschüttelnd meinte, keine zehn Pferde würden ihn je wieder in so eine Veranstaltung bringen, machte sie ihm deutlich, dass sie darauf ohnehin keinen gesteigerten Wert mehr legen würde. Nur zwei von sieben möglichen Vätern neben Mario waren da gewesen, allerdings lebten vier der Mütter mittlerweile getrennt von ihren Partnern. Johanna wüsste keine ihrer Freundinnen zu nennen, die sich wegen Steffi von ihr zurückgezogen hätte. Sie hat aber sehr wohl das Gefühl, dass Familieneinladungen durch Paare wesentlich seltener geworden sind, womöglich der Männer wegen. Kann aber genauso gut sein, weil das mit Kindern eben grundsätzlich nicht so leicht zu bewerkstelligen ist, kann sein, weil auch Mario und sie, vor allem sie, im Verhältnis zu früher wesentlich genauer überlegen, ob ihnen ein Freitag- oder Samstagabend zu viert oder zu sechst den Aufwand wert ist. Viel lieber macht Johanna von außen die Wohnungstür hinter sich zu und trifft sich mit jemandem in der Stadt zu Konzert, Theater oder Kino, oft mit einem gepflegten Glas Wein hinterher.

©Haymon Verlag©

Literaturangabe:

LAHER, LUDWIG: Einleben. Haymon Verlag, Innsbruck 2009. 168 S., 17,90 €.

Weblink:

Haymon Verlag


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