Von Susanne Härpfer
Wie erkenne ich, ob mein Arzt manipuliert ist? Fragt Markus Grill in seinem Buch „Kranke Geschäfte“. Trauen Sie sich! Fragen Sie Ihren Arzt, ob er Geld vom Pharmaunternehmen bekommt, dessen Medikament er gerade verschreibt. Oder besser noch, lassen Sie sich von Ihrem Arzt eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, dass er kein Geld nimmt.
Schließlich lassen sich Ärzte gerne Patientenerklärungen unterschreiben.
Der Autor enthüllte 2005 im „Stern“ die fragwürdigen Geschäftsmethoden von „Ratiopharm“. Jetzt deckt der „Stern“-Redakteur auf 285 Seiten auf, „wie die Pharmaindustrie uns manipuliert.“ Der Verlag wirbt für das Buch mit einer Medikamentenschachtel, auf der „Reibach“ steht: Gegen Ehrlichkeit, Vernunft und allgemeines Wohlbefinden. Das Werk sollte es auf Rezept geben, schließlich kann Aufklärung über die Machenschaften der Pharmaindustrie Menschen davor bewahren, durch Nebenwirkungen krank zu werden („Gewichtszunahme von 30 kg bei der Einnahme von Zyprexa“) oder als mündiger Patient gesund zu bleiben. Grills Buch hat einen hohen Nutzwert, wie man in der Branche sagen würde und macht vor dem eigenen Fach nicht halt.
Detailliert zeigt Grill auf, wie Journalisten sich als PR-Leute bei Pharmagiganten verdingen. Karen Dente bekam demnach von der PR-Agentur Edelman 7000,00 US-Dollar für einen Artikel: „Es war von Anbeginn klar, dass dahinter die amerikanische Firma Merck stand. (…) Man übte allerdings Druck aus, dass ich meine Kontakte bei einem renommierten Fachjournal nutzte, um Interesse für diesen Beitrag zu erschleichen. Der Beitrag sollte nicht unter Dentes Namen erscheinen, sondern unter dem Namen von zwei Ärzten, die für Merck arbeiteten.“ Er zeigt einen Fall von Lesertäuschung bei der „Bunten“. „Ein als Lungenspezialist vorgestellter Arzt wird von einem Pharmaunternehmen bezahlt, dessen Produkt er nicht nur namentlich nennt, sondern ahnungslosen Patienten auch noch anpreist.“ Und er zeigt, wie schwierig es ist, sich gegen die Kampagnen der Konzerne zur Wehr zu setzen. Ein gewisser Adel Massaad meldete sich in der Redaktion und bot Informationen über einen kritischen Mediziner an. Erst aufwändige Recherchen, u.a. beim Handelsregister, ergaben, dass er nach Grills Angaben mehr als eine Million Euro von Pharmafirmen und PR-Agenturen erhalten haben soll. Der Autor deckt eine noch perfidere Methode auf: Offenbar unterwandern Arzneimittelhersteller gezielt Selbsthilfegruppen oder gründen sogar eigens welche. Das ist oft günstiger und effizienter als Ärzte-Beeinflussung. Welcher Mediziner lässt sich schon mit den oft zitierten Espressomaschinen oder Reisen kaufen? Da müssen inzwischen andere Summen fließen wie im Fall Massaad. Betroffene lassen sich hingegen leichter kaufen, nehmen Gratis-homepages und andere Gaben gerne und verscherbeln so ihr wichtigstes Gut: ihre Glaubwürdigkeit. Grill fordert:
„Nur wenn erkennbar ist, wer hinter einer Botschaft steckt, können die Patienten gezielt nach anbieterunabhängigen Informationen Ausschau halten.“ Sprengkraft hat daher auch die Enthüllung von Schleichwerbung bei Serien wie „Marienhof“ in der ARD. Selbst für Insider interessant: der Abdruck des Berichts der PR-Agentur für den Dreh der 6. Staffel der Ärztestaffel „In aller Freundschaft“. Detailliert wird aufgelistet, wie Krankheiten in die Handlung der Serie eingebaut wurden – ein, so Grill, dreifacher Gesetzesbruch: „Schleichwerbung, weil die Werbung nicht in der Werbepause zu sehen war, sondern in eine TV-Folge integriert war. Zweitens wurden die Beiträge nach der bei ADR und ZDF geltenden 20-Uhr-Werbegrenze ausgestrahlt. Und drittens war es, wenn Produkte genannt wurden, verbotene Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel.“ Kritische Beiträge z.B. in Fachzeitschriften hingegen werden zensiert oder erscheinen erst gar nicht. Für’s Marketing von Medikamenten hingegen wird doppelt so viel Geld ausgegeben wie für die Forschung, fand Markus Grill heraus. Dem Lügen-Latein der Medizinmultis und dem Fachchinesisch der Ärzte setzt der Autor ein leicht verständliches Buch für den mündigen Patienten entgegen.
Ein würdiger Nachfolger des Klassikers „Bittere Pillen.“
Literaturangaben:
GRILL, MARKUS: Kranke Geschäfte – Wie die Pharmaindustrie uns manipuliert. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007. 224 S., 16,90 €.
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