BERLIN (BLK) – Punks, Hausbesetzer und Kneipengänger im Berlin der frühen 80er Jahre – und mitten drin „Herr Lehmann“. Sieben Jahre nach dem ersten Lehmann-Auftritt hat Autor und Musiker Sven Regener die Roman-Trilogie um den liebenswerten Loser und Kreuzberger Lebenskünstler abgeschlossen. „Der kleine Bruder“ heißt der letzte Band, der sich chronologisch zwischen „Neue Vahr Süd“ (1. Band) und „Herr Lehmann“ (3. Band) einordnet. Erzählt wird von Frank Lehmanns ersten Tagen in Berlin – von der Transitstrecke durch die DDR bis zum Einzug in die Wohngemeinschaft und der Suche nach seinem scheinbar spurlos verschwundenen großen Bruder.
Der „Drang nach dem anderen Leben“ habe damals viele junge Leute nach Berlin getrieben, sagte der 47-jährige Regener, Sänger der Band Element of Crime, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Regener kam nach einer Kindheit im Bremer Neubaugebiet Neue Vahr, Bundeswehr- und Zivildienst sowie Studium in Hamburg selbst in den 80er Jahren nach Kreuzberg. Mit Christian Ulmen in der Titelrolle wurde „Herr Lehmann“ von Leander Haußmann verfilmt. „Der kleine Bruder“ kommt am 1. September 2008 in den Buchhandel.
Frank Lehmanns Mutter bringt ihr Gefühl für das Berlin der 80er Jahre so auf den Punkt: „Berlin, da blickt doch kein Mensch durch!“. War das auch Ihr Gefühl, als Sie damals in die Mauer-Stadt Berlin kamen?
Regener: „Das sagt man natürlich nur als Außenstehender. Wenn man dann da ist, dann ist eigentlich alles ganz einfach. Ich habe es so erlebt, dass es – egal, wo man hinkam – relativ einfach war, mitzumachen. Man brauchte nicht, wie in kleineren Städten, die Frage zu beantworten: ‚Wer bist du eigentlich, wo kommst du her, was willst du eigentlich?’ Das war alles uninteressant. Das war damals ein Kennzeichen von West-Berlin. Wer nach Berlin zog, der hat zwischen seine Vergangenheit und sein jetziges Leben zwei Grenzen gelegt. Das war so, wie wenn man ins Ausland geht.
Mein Leben ist ganz offensichtlich anders verlaufen als das von Frank Lehmann. Ich bin immer Musiker gewesen und habe mein Ding verfolgt. Das ist ein ganz anderes Leben, ich habe auch nie in einer Kneipe gearbeitet. Aber natürlich hat Frank Lehmann viele Dinge von mir. Ich kann mich genauso gut mit ihm identifizieren wie es viele Leser können. Der Roman ist nicht autobiografisch. Aber man kann sagen, dass ich an diesen Figuren ein sehr großes Interesse habe, weil es mir leicht fällt, mich mit ihnen zu identifizieren.“
Wie lässt sich das heutige Berlin-Gefühl beschreiben?
Regener: „Ich bin jetzt seit mehr als 25 Jahren in Berlin. Bestimmte Grundvoraussetzungen, die die Menschen damals in die Stadt getrieben haben, die gibt es immer noch. Zum Beispiel kann man hier mit relativ wenig Geld leben. Auch die günstigeren Mieten sind überhaupt nicht vergleichbar mit Hamburg, München oder Düsseldorf. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass sich Szenen bilden können wie die von den Künstlerfreaks, von denen im Roman erzählt wird.“
Könnten Sie sich vorstellen, auf dem Land zu leben?
Regener: „Nein, ich bin ein Stadtmensch. Ich wollte immer in einer großen Stadt leben.“ (Interview: Elke Vogel, dpa/vol)
Literaturangaben:
REGENER, SVEN: Der kleine Bruder. Roman. Eichborn, Frankfurt am Main 2008. 304 S., 19,95 €.
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