Von Frederike Frei, Potsdam
Ich werde einsilbig, wenn mich Leute fragen, was sie lesen sollen. Türme meiner Lieblingsbücher bauen sich sofort vor mir auf und verstellen mir die Sicht. Bei Musik fragen sie mich doch auch nicht, was sie hören sollen. Es gibt mindestens so viele wunderbare Textstücke in der Weltliteratur wie Musikstücke. Das ist wahrscheinlich nicht mal dem Rundfunk klar. Wir haben uns ja in Hamburg einmal eine Zeitlang bemüht, einen Literatur- oder Wortfunk zu institutionalisieren. Projekt Literaturradio oder wortwelleweb. Ein Programm für Bücher-, Text- und Wortmenschen. Das Wort gehört allen. Wortschätze gehören unter die Leute. Heiter bis dramatisch, sachlich bis herzzerreißend.
Ich schlug sogar vor, dafür extra ein rotes Radio herzustellen mit nur diesem Sender.
Wenn ich nicht hätte umziehen müssen hierher nach Potsdam, ich wette, wir bosselten heute noch daran. Ich schlug sogar vor, dafür extra ein rotes Radio herzustellen mit nur diesem Sender, das man kaufen kann, anknipsen, und sofort jederzeit Literatur vom Feinsten in Teilen oder ganz loshören kann beim Bügeln, Abwaschen, beim Saubermachen, Autofahren, drinnen, draußen, rund um die Uhr. Für die Ohren braucht man noch nicht mal eine Brille.
Immer nur Massen an Instrumententönen werden gesendet, statt genauso viele Menschenwortlaute zu versenden, die es ebenso gibt. Töne gehen zwar sofort ins Herz, Wörter nur über den Umweg Kopf. Das Herz kann sie aber leichter verlieren, der Kopf niemals. Denn wenn Wörter hinübergekommen sind über diese Schwelle, dann bleiben sie im Herzen für immer. Ha!
Frederike Frei ist Autorin und Literaturveranstalterin. Sie lebt in Potsdam (www.frederikefrei.de)