Werbung

Werbung

Werbung

Edward Steichen: Die schwierige Liaison von Kunst, Krieg und Liebe

Emily Mitchells biografischer Roman über den Kunstfotografen Edward Steichen

© Die Berliner Literaturkritik, 27.04.09

 

Man merkt dem Roman „Bilder eines Sommers“ an, aus welcher Schule seine Autorin kommt. Emiliy Mitchell hat bei dem mit dem Pulitzerpreis und dem Pen Award dekorierten Michael Cunningham („Die Stunden“) in New York Literatur studiert und sich von dessen sprachlicher Intensität und psychologischer Raffinesse anstecken lassen. Die gebürtige Londonerin erzählt von dem amerikanischen Fotografen Edward Steichen (1879-1973), seiner beruflichen Karriere wie seinem privaten Scheitern so plastisch, dass der (noch nicht gedrehte) Film seines Lebens vor dem inneren Auge des Lesers abläuft.

Steichen, so beginnt der Roman, kehrt 1918 nach Frankreich zurück, um für die amerikanischen Streitkräfte die auf Paris vorrückenden deutschen Truppen aus der Luft zu fotografieren. Hier in Frankreich hat er einst glückliche Jahre mit seiner Frau Clara und den beiden Töchtern verbracht. Doch das ist Vergangenheit, denn Clara hat ihn verlassen und die gemeinsamen Kinder mit sich genommen. Streichen erfährt von der Malerin Marion Beckett, dass seine Frau in den USA sogar einen Prozess gegen die einstige Freundin anstrengen will, unterstellt sie ihr doch, eine Affäre mit Edward gehabt und damit die Ehe zerstört zu haben.

In Rückblicken breitet Mitchell gemächlich Steichens Vergangenheit aus: Wie er seine spätere Frau kennen- und lieben lernte, dem hochverehrten Bildhauer Auguste Rodin erstmals begegnete, mit dem ihn bald eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte, und wie in Steichens Haus an der Marne vor dem Weltkrieg illustre Künstler der Zeit ein- und ausgingen. Auch seine Affären lässt Mitchell Revue passieren, jene mit der Bildhauerin Kathleen Bruce und der Tänzerin Isadora Duncan, die er – wie Rodin – damit rechtfertigt, dass für einen Künstler andere Moralvorstellungen gelten als für die übrige Menschheit. Mit Marion allerdings, der gemeinsamen Freundin des Ehepaares, verbindet ihn kein Techtelmechtel. Die Tatsache, dass ihm Clara mit ihr eine Liaison unterstellt, weist er mit scheinheiliger Entrüstung von sich.

Parallel zu den schmerzlichen Erinnerungen an die Vergangenheit schildert Mitchell Steichens Erlebnisse als Kriegsfotograf, seine desillusionierenden Eindrücke von einem schmutzigen Krieg, in dem es nur noch um eines geht: zu überleben. Schnörkellos und unmittelbar wird der Leser in den Krieg geführt. Er erlebt, wie sich Steichen mit der MG gegen die Attacken feindlicher Piloten erwehrt, wie Marion als Hilfsschwester ein Lazarett evakuiert und wie die Bewohner seines Dorfes ihr Hab und Gut schultern, um sich vor dem heranrückenden Feind in Sicherheit zu bringen. Angesichts dieses großen Kriegselends rücken die privaten Sorgen der Akteure weit in den Hintergrund.

Steichen zählt zu den berühmtesten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Die 2006 anberaumte Versteigerung der Vergrößerung seines Fotos „The Pond-Moonlight“ aus dem Jahr 1904 erbrachte fast 2,5 Millionen Euro und damit den bis dahin höchsten Auktionspreis für eine Fotografie.

Von Elisabeth Werthern

Literaturangaben:
MITCHELL, EMILY: Bilder eines Sommers. Aus dem Amerikanischen von Karen Nölle. Verlag btb, München 2009. 410 S., 19,95 €.

Verlag

Mehr von Elisabeth Werthern


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: