Wer einmal ein japanisches Buch gelesen hat, wird den Schreibstil sofort wieder erkennen. Es ist schwer zu erklären, was ihn so besonders macht. Möglicherweise liegt es an den zumeist kurzen Sätzen oder an den fremdartig anmutenden Bildern, die beschrieben werden. Sicher ist nur, dass die Autoren weniger Wert auf die Entwicklung oder Beschreibung der Charaktere legen, als auf die konkrete Geschichte, die sie erzählen wollen. In Hiromi Kawakamis neuem Buch „Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß“ kann man genau diese typisch japanischen Eigenschaften wieder finden.
In ihrer Geschichte geht es um die 37-jährige Tsukiko Omachi, über deren Leben der Leser nur wenige Bruchstücke geboten bekommt. Dennoch ist es möglich, sich ein Bild von Tsukikos Leben zu machen. Die junge Frau, die sich häufig wie ein Kind benimmt, hat nie geheiratet; zwar hatte sie durchaus Beziehungen zu Männern, doch scheinen diese keine große Rolle in ihrem Leben zu spielen. Dafür aber umso mehr gutes Essen, Sake – der japanische Reiswein – und Bier.
Doch dann trifft sie eines Abends in einer Kneipe ihren ehemaligen Japanischlehrer Harutsuna Matsumoto. Da ihr nicht sofort sein Name einfällt und sie diese unangenehme Tatsache verschleiern möchte, nennt sie ihn einfach Sensei, das japanische Wort für Lehrer. Bei diesem Namen bleibt es ab sofort auch. Zufällig treffen sich die beiden nun immer wieder, aber manchmal wochenlang nicht. Der Leser erfährt nicht, was genau in der Ich-Erzählerin Tsukiko vorgeht. Dennoch spürt man, dass sich langsam eine Beziehung zwischen den beiden aufbaut, die oberflächlich durch Distanz bestimmt ist. Dennoch kommt es zu Verabredungen, letztlich sogar zu einem Urlaub auf einer Insel, wo der Sensei mit der ahnungslosen Tsukiko das Grab seiner verstorbenen Frau besucht. Möglicherweise ein Versuch, das auszudrücken, was er nicht sagen kann.
Das Schweigen und die oberflächlichen Gespräche – Grundlage der subtilen Annäherung – finden sich auch in dem Verhältnis zwischen der Protagonistin und ihrer Mutter wieder. Auch hier bekundet die Mutter ihre Liebe zur Tochter durch einfache Gesten: Sie kocht dieser ihre Leibspeise: Tofu. Und diese wiederum hilft ihrer Mutter nach dem Essen beim Abwasch.
In dieser Atmosphäre der wenigen, belanglosen Worte werden gerade Taten wichtig und gleichzeitig wird gezeigt, dass Schweigen manchmal mehr verbindet, als Sprechen. Ja, das Sprechen sogar Distanz und Fremdheit schafft. Als Tsukiko für den Sensei ein Geschenk, ein Reibeisen, kauft, mutet das zwar seltsam an, zeigt aber doch die Zuneigung, welche die Ich-Erzählerin für ihren ehemaligen Lehrer entwickelt hat.
Das Ende dieses Buches ist durch die Kürze, in der die Ereignisse nach dieser sukzessiven Annäherung zusammengefasst werden, überraschend. Doch gleichzeitig vermag der letzte Satz eine Empfindung, ein Gefühl auszudrücken, das dem Leser unter die Haut geht.
Hiromi Kawakami, die in Tokio geboren wurde, erzählt mit ihrem Buch eine Liebesgeschichte, die zugleich traurig und beglückend ist. Sie führt den Leser ein in die kulinarische Welt Japans und zeigt zwei einsame Charaktere, die sich ineinander verlieben und zugleich Angst vor dieser Liebe haben.
Die Geschichte ist eine Momentaufnahme, bei der nicht interessiert, was zuvor war, nicht interessiert, was danach sein wird und auch nicht interessiert, was das überhaupt für Personen sind, die sich da zueinander hingezogen fühlen. Lediglich der Augenblick, der sich hier über zwei Jahre erstreckt, ist von Bedeutung.
Von Laura Flohr
Literaturangaben:
KAWAKAMI, HIROMI: Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß. Eine Liebesgeschichte. Übersetzt aus dem Japanischen von Ursula Gräfe und Kimiko Nakayama-Ziegler. Carl Hanser Verlag, München 2008. 189 S., 17,90 €.
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