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Ein beachtlicher Klassiker

„Zwei Menschen“ von Donald Windham nun auch in deutscher Übersetzung

© Die Berliner Literaturkritik, 23.05.11

DÜSSELDORF (BLK) – Im Herbst 2010 ist im Lilienfeld Verlag der Roman „Zwei Menschen“ des amerikanischen Autors Donald Windham erschienen. Alexander Konrad hat ihn ins Deutsche übersetzt.

Klappentext: Rom um 1950. Zwei Paare. Eine Liebe. Und eine harte Entscheidung. Als seine Frau die gemeinsame Europareise in Rom vorzeitig abbricht und allein nach Amerika zurückkehrt, kann Forrest sich nicht entschließen, ihr in das alte Leben zu folgen. Er beschließt, in Rom zu bleiben, und ist das erste Mal seit seiner Heirat allein und ohne festes Ziel. Er streift durch die Stadt und muß bald merken, daß er sich selbst genauso fremd ist wie den Menschen, denen er begegnet. In dem Versuch, aus der Sprachlosigkeit herauszufinden, in die sein bisheriges Leben ihn gedrängt hat, wird ausgerechnet ein junger Römer sein Lehrer, Liebhaber und Freund. Und dessen beharrliches Schweigen zwingt Forrest schließlich dazu, endlich wieder auf sich selbst zu hören ... Als dieser Roman 1965 erschien, wurde er für seine mutige, klare und bisweilen schmerzhaft schonungslose Darstellung von Partnerschaft und Liebe bewundert. Er hat bis heute nichts an Kraft eingebüßt.

Donald Windham wurde 1920 in Atlanta geboren Mit 19 Jahren ging er nach New York, wo er die Bekanntschaft mit Truman Capote und Tennessee Williams machte. Mit letzterem verfasste er Anfang der vierziger Jahre gemeinsam das Theaterstück „You Touched Me“. Sein erster Roman „The Dog Star" erschien 1950. „Two People" (1965), sein im sommerlichen Rom spielender Roman über das Verhältnis eines verheirateten Amerikaners zu einem 17-jährigen Italiener, gilt wegen seiner Offenheit als wichtiges Werk in der homosexuellen Literaturgeschichte der USA. Aber auch seine anderen Romane, ein Erzählungsband sowie seine Erinnerungen an seine Jugend und an seine berühmten Freunde haben weltweit ihre Leser gefunden. Donald Windham lebt heute noch in New York.

Leseprobe:

 ©Lilienfeld Verlag©

1.

Gestern waren ein paar Leute von Brücken aus in den Tiber gesprungen. Forrest sah die Meldung in einer Zeitung, die auf der Terrasse des Pincio lag.

  Wie sich herausstellte, wollten sie sich nicht umbringen, sondern Spaß haben. Die Zeitung war einen Monat alt, und in den Tiber zu springen, ist eine Art, in Rom Neujahr zu feiern.

  Er verließ die Pincio-Terrasse und betrat den Park. Vor ihm waren unter dem Obelisken in der Mitte des Viale dell’ Obelisco zwei Jungen in blaßblauen Overalls, auf denen der Name einer Werkstatt stand, damit beschäftigt, zwei Mädchen zu ärgern, die die weißen Uniformen eines Friseursalons trugen. Alle vier waren schön, doch waren die Mädchen bei dieser Begegnung im Nachteil, weil sie ihre Rollen mit scheinbarem Mißfallen zu spielen hatten, während die Jungen sich lachend – jeder einen Arm um den Nacken des anderen gelegt und sich in der Tasche eines ihrer Overalls bei den Händen haltend – vor, zwischen und hinter die Mädchen warfen. Wie echte Sportler genossen sie das Spiel um so mehr, je größer der Widerstand ihrer Gegner war. Sie änderten immer die Richtung, wenn die Mädchen es taten. Diese sich ständig im Kreis drehende Prozession kam Forrest jedes Mal wieder entgegen, wenn sie sich ein kurzes Stück von ihm entfernt hatte.

  Dann war es vier Uhr. Die Mädchen marschierten in die eine, die Jungen, die sich immer noch festhielten, wirbelten in die entgegengesetzte Richtung.

  Forrest folgte den Mädchen zur Trinità dei Monti. Am oberen Ende der Spanischen Treppe lehnte er sich auf die Balustrade und schaute den Mädchen zu, wie sie hinuntergingen. Es tröstete ihn, die Spanische Treppe zu betrachten. Zuerst waren die Kirche Trinità dei Monti auf dem Gipfel des Hügels hinter ihm und an seinem Fuß die Piazza di Spagna und der niedrige Springbrunnen dagewesen. Dann war der Architekt in diese durcheinandergeratene Landschaft getreten und hatte ihr einen Mittelpunkt gegeben, der so vollkommen war, daß man schwer glauben konnte, daß die umliegenden Bauten nicht um die Treppe herum gewachsen waren. Wie befriedigend das sein mußte, dachte Forrest, so gut in seine Situation zu passen, daß die eigene Gegenwart sie hervorgebracht zu haben scheint.

  Während er dort lehnte und sich fragte, was er gleich tun würde, erblickte er einen schwarzhaarigen Jungen in einem weißen Regenmantel, der ihm die Stufen hinauf entgegenkam. Er hatte den Jungen schon einmal gesehen, an der gleichen Stelle. Er hatte mit Robert, einem Angestellten einer Fluggesellschaft, in dessen Wohnung er sich aufhielt, an der Balustrade gestanden. Robert war ein alter Freund von Forrests Frau. Forrest hatte ihn bei ihrer Ankunft in Rom kennengelernt, als Robert, der gerade nach Athen versetzt wurde, angeboten hatte, ihnen die Wohnung unterzuvermieten. Sie hatten zugesagt, die Wohnung zu nehmen und waren eingezogen. Dann war Forrests Frau in die Staaten zurückgekehrt und hatte ihn allein gelassen.

  Er erinnerte sich an den schwarzhaarigen Jungen in dem weißen Regenmantel, weil an jenem ersten Tag der Junge plötzlich stirnrunzelnd stehengeblieben war, als er Forrest erblickt hatte. Einen Moment später war er weitergegangen, ins letzte Treppenstück verschwunden und bald darauf am Ende der Balustrade wieder aufgetaucht. Sein verkniffener Gesichtsausdruck war von der Art gewesen, die aus Unsicherheit genauso wie aus schlechter Laune herrühren kann, und in seinem Fall hatte es nach schlechter Laune ausgesehen. Er war langsam vorbeigegangen und dann vor dem Obelisken stehengeblieben, der am oberen Ende der Spanischen Treppe aufragt wie der Obelisk in der Mitte des Pincio. Kurz danach hatte er sich zu Forrest und Robert umgedreht und ihnen einen langen Blick zugeworfen.

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  „Ist das ein Freund von dir?“, hatte Forrest gefragt.

  Und Robert, der einen flüchtigen Blick auf den Jungen geworfen hatte, hatte geantwortet „Nein, ich habe ihn noch nie gesehen.“

  Forrest hatte Robert oft mit Jungen an der Treppe sprechen sehen. Er hatte ein oder zwei der Jungen getroffen, als sie die Wohnung verließen. Robert sprach nicht über seine Freundschaften, gab sich aber auch keine Mühe, etwas zu verbergen. Und Forrest war, obwohl ein solches Verhalten von den Leuten, die er in New York kannte, durchaus hingenommen wurde, überrascht, daß es hier mit diesen jungen Römern weder Einschränkungen zu geben schien noch etwas Anrüchiges hatte. Es machte ihn neugierig und beeindruckte ihn, wie angenehm Robert lebte, so als ob die römische Atmosphäre mit ihrer unschuldigen männlichen Geselligkeit, diesen Dingen eine selbstverständlichere Note gab. In jedem Fall war Robert eine Verkörperung seines Berufsstandes: ganz gleich mit wem er ins Bett ging, nichts deutete darauf hin, daß er irgendeine dauerhafte Bindung in Rom hatte. Seine direkte Art gab ihm den Anschein, genau das zu meinen, was er sagte, und nicht mehr. Einmal hatte er zu Forrest gesagt, dass diese wechselnden Bekanntschaften für italienische Jungen das gleiche wären wie Ice Cream Sodas im Drugstore an der Ecke für ihre amerikanischen Altersgenossen. Forrest hielt das für einen extremen Standpunkt, wußte aber nicht, auf welcher Grundlage er hätte widersprechen sollen. Und der Junge in dem weißen Regenmantel war der erste gewesen, über den er sich Robert gegenüber geäußert hatte.

  Der Junge schien es eilig gehabt zu haben, als er an jenem ersten Tag herumgelaufen war. Noch als er stehengeblieben war, hatte ihn ein Ausdruck von Geschäftigkeit und Entschlossenheit von den ziellos umherstreifenden Menschen ringsherum unterschieden. Daß er sich nicht bewegt hatte, war ein bewußter Schachzug gewesen, und dieser hatte überhaupt nichts von der anmutigen Haltung gehabt, wie sie unter den jungen Arbeitern und Studenten, die Forrest auf der Treppe gesehen hatte, fast überall zu finden war: scheinbar nur zu ihrer eigenen Zerstreuung dort zu sein, um sich, unbekümmert darüber, was in deren Verlauf geschehen würde, ihre freie Zeit zu vertreiben.

  „Ich habe selten einen Römer so gucken sehen“, hatte er gesagt.

  „Tut ein Römer normalerweise auch nicht“, war Roberts Antwort gewesen. „Wahrscheinlich kommt er aus Florenz.“

  Als sie weitergegangen waren, hatte der Junge sie beobachtet. Aber es lag weniger an dem Jungen als an der Unterhaltung, die Forrest mit Robert beim Abendessen geführt hatte, weshalb er sich so gut an diesen Tag erinnerte.

©Lilienfeld Verlag©

Literaturangabe:

WINDHAM, DONALD: Zwei Menschen. Aus dem Amerikanischen von Alexander Konrad. Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2010. 208 S., 19,90 €.

Weblink:

Lilienfeld Verlag


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