Von Wilfried Mommert
BERLIN (BLK) – Dieter Noll war einer der bekanntesten Schriftsteller der DDR, der vor allem mit seinem Antikriegsroman „Die Abenteuer des Werner Holt“ Beachtung gefunden hat. Im Westen Deutschlands war er allerdings weniger bekannt, auch wenn sein autobiografisch geprägtes zweiteiliges Hauptwerk (1960 und 1963) über die Grenzen der DDR hinaus anerkannt wurde. In der Nacht zum Mittwoch (6. Februar 2008) ist er in Zeuthen bei Berlin im Alter von 80 Jahren gestorben, wie seine Frau der Deutschen Presse-Agentur dpa mitteilte.
Noll gehörte jener „Flakhelfer-Generation“ von 1927 an, die, sofern sie die Schrecken des Zweiten Weltkrieges überlebt hatte, im vergangenen Jahr 80 Jahre alt geworden war und Bilanz gezogen hat. Die Schriftsteller unter ihnen haben darüber teilweise bedeutende Bücher geschrieben wie zum Beispiel Günter Grass oder in der DDR auch Hermann Kant (Jahrgang 1926) mit „Der Aufenthalt“ oder eben Dieter Noll mit seinen zweibändigen Abenteuern des Werner Holt. Der fotoscheue Autor lebte zuletzt zurückgezogen in Wernsdorf bei Berlin.
Auch wenn man von einem literarischen Vergleich mit dem Nobelpreisträger Grass absehen will, so hat jeder der Autoren seine eigenen Lehren aus den traumatischen Jugenderlebnissen gezogen, literarisch wie gesellschaftspolitisch entweder in der Bundesrepublik oder in der DDR.
Der am 31. Dezember 1927 im sächsischen Riesa geborene Noll wurde wie viele seiner Altersgenossen noch als Schüler 1944 als Flakhelfer zur Wehrmacht eingezogen. Aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, trat er mit nicht einmal 20 Jahren der KPD und später der SED bei. Sein „Roman einer Jugend“, wie der Untertitel des Buches „Die Abenteuer des Werner Holt“ lautet, gehörte zur Pflichtlektüre in den Schulen der DDR. Der Roman ist noch heute ein Klassiker der deutschen Antikriegsliteratur, verfasst von einem Schriftsteller, der sich später im ideologischen Kampf der Systeme zwischen Ost und West nicht zu schade war, renommierte Kollegen, die anders dachten als er, mit herabsetzenden Beleidigungen zu belegen.
Noll schildert die widersprüchlichen Erfahrungen und Erkenntnisse sowie die Um- und Irrwege einer Generation, in seinem Fall bis zum Sozialismus als neuer Lebens- und Gesellschaftsperspektive. Hungrig nach Abenteuern und Bewährung zogen sie an die Front, manche sogar in Panzerdivisionen der SS, und erlebten dabei ihre völlige Desillusionierung und den moralischen Zusammenbruch einer ganzen Gesellschaft. In einem zertrümmerten Land standen sie vor einer ungewissen Zukunft.
„Die Abenteuer des Werner Holt“ erzielten auch in der Bundesrepublik eine große Aufmerksamkeit und erreichten bis heute eine Auflage von fast vier Millionen Exemplaren. Der Roman ist im Berliner Aufbau-Verlag immer noch lieferbar. Mit seinem letzten großen Werk, „Kippenberg“ (1979), konnte Noll nicht mehr an den großen Erfolg anschließen.
Schlimmer noch als die später ausgebliebenen schriftstellerischen Erfolge dürfte den DDR-Nationalpreisträger Noll sein unseliger „Offener Brief“ an den DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker 1979 geschadet haben. Darin denunzierte er Kollegen wie Stefan Heym, Joachim Seyppel und Rolf Schneider als „kaputte Typen“, die dann auch im Gefolge der Biermann-Ausbürgerung aus dem DDR-Schriftstellerverband (unter Hermann Kant) ausgeschlossen wurden.
Auch wohlwollende Kritiker meinten später, der Brief werde Noll auch dann noch anhängen, wenn von seinen Büchern eher weniger die Rede sein wird. Der Widerstreit zwischen Wahrheit und Parteilichkeit, ehrlichem, offenem Bekenntnis und Opportunismus hat auch einen Dieter Noll immer mehr verstummen lassen. Auch wenn er, wie er zu seinem 75. Geburtstag beteuerte, sich weiter als Kommunist fühlte.
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